Lojong
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01 Als Erstes schule dich in den Vorbereitungen.

Impression

Auszug aus: Borghardt, Tilmann (Lama Sönam Lhündrup): Geistestraining [Lodjong] in Freiburg (Abschriften)

(1)Übe dich zuerst in den Vorbereitungen Das ist der erste Merksatz.

Diese beinhalten

  1. die Vorbereitung auf die Meditationssitzung
  2. die vorbereitenden Unterweisungen

Der erste Punkt wäre die Vorbereitung auf die Meditationssitzung.

Bevor wir dazu kommen, einige Instruktionen, die Gendün Rinpotsche da eingeschoben hat, weil sie hier nicht stehen und man annimmt, dass wir sie schon kennen. Wenn wir eine Meditationssitzung beginnen, sollte unser Körper zur Ruhe kommen, unsere Rede sollte zur Ruhe kommen, und unser Geist sollte zur Ruhe kommen. Der Körper beruhigt sich, in dem wir ihn aufrecht und zugleich entspannt hinsetzen, stabil wie ein Berg. Die Rede beruhigt sich, indem wir auf den Atem meditieren und ansonsten schweigen. Der Geist beruhigt sich, indem wir uns ganz auf die Praxis ausrichten, ihr alle Wichtigkeit geben und die richtige Motivation entwickeln. Die Motivation, das Bodhicitta, ist das, was den Geist wirklich beruhigt und öffnet.

Wir beginnen mit einer Serie von Überlegungen, die von Djamgön Khyentse Wangpo auch für die Lodjong Praxis zusammengestellt wurden.

Diese Motivation, die den Geist beruhigt, entsteht, wenn wir uns Folgendes vergegenwärtigen:

Laut Buddha hat jeder die Buddhanatur. Doch mein Geist ist voll von Ich und Mein, voller Emotionen. Dieses Ich-Anhaften ist nicht neu. Es hält mich seit unzähligen Leben in Unzufriedenheit, Ängsten und Gefühlen des Getrenntseins gefangen. Der einzige Ausweg ist, ein vollkommen Erwachter, ein Buddha zu werden. Ich entschließe mich, das diesem Geist innewohnende Potential der Erleuchtung zu entwickeln, d.h. diese Buddhanatur hervorzubringen. Jetzt sind alle Bedingungen zusammengekommen, um mich dem Erleuchtungsweg zu widmen. Aber diese kostbare Gelegenheit kann leicht verloren gehen. Anderen geht es ähnlich. Auch sie schaffen es nicht, wahres Glück zu finden. Wir sitzen im selben Boot. Ich würde ihnen gerne helfen, doch zurzeit bin ich unfähig, ihnen zu helfen. Ich wende mich deshalb an die Zuflucht, den Buddha als Ziel und Schutz, den Dharma als Weg und Schutz und die Sangha als Helfer und Schutz.

Diese Gedankengänge – wir haben sie vielleicht etwas rasch aufgesagt, ihr findet sie überall wieder. Das sind die klassischen Gedankengänge, mit denen wir die grundlegenden Gedanken kontemplieren. Sie führen uns hin zu einem ganz aufrichtigen Zufluchtnehmen, weil wir merken, wir brauchen Hilfe, wir müssen uns stark ausrichten und dabei unterstützt werden in unserem Ausrichten, wir tun dies nicht nur für uns selbst, sondern wir nehmen Zuflucht für alle Wesen.

Aus diesem starken Erkennen und Zufluchtnehmen heraus beten wir zum Wurzellama, der die Zuflucht verkörpert.

a) Die Vorbereitung auf die Meditationssitzung

Zu Anfang einer jeden Meditationssitzung vergegenwärtige dir deinen Wurzellama, wie er auf einem Sitz aus Lotus und Mond über deinem Scheitel weilt. Er lächelt liebevoll, sein Körper erstrahlt in großem Glanz und mit einem Mitgefühl frei von Bezugspunkten nimmt sein Geist alle Wesen gewahr.

Wir stellen uns vor, er sitzt auf einer Lotusblüte und auf einer Mondscheibe, und gewöhnlich wird es so unterrichtet, dass er die Form von Dorje Chang, von Vajradhara annimmt, der blaue Urbuddha mit Vajra und Glocke, Vajra in der rechten, Glocke in der linken Hand, überkreuzt in Vajrahaltung sitzend.

Wenn wir damit Mühe haben, Dordje Chang zu visualisieren, können wir auch Buddha Shakyamuni visualisieren. Wenn wir damit auch noch Mühe haben, können wir auch Tschenresi visualisieren.

Dieser Guru Yoga ist hier eine Vorbereitung. Es geht darum, tiefes Bodhicitta zu entwickeln, und wir stellen uns dafür vor, wir würden vor dem Buddha, der unser Wurzellama ist, sitzen und noch mal das Bodhisattva Gelübde nehmen. Wir entwickeln das Bodhicitta, als wären wir in der Präsenz des Buddhas.

Wir stellen uns vor, dass das nicht nur der Buddha ist, sondern dass das zugleich auch unser Lama ist, mit dem wir ein ganz lebendiges Band der Hingabe und des Vertrauens haben.

Wir visualisieren ihn aber nicht in menschlicher Form, in seiner normalen Form, sondern in seiner Buddha-Form, Buddhanatur, um nicht in die Falle zu tappen, uns zu sehr auf die persönlichen Eigenarten des Lamas zu fixieren, sondern mehr Kontakt aufzunehmen mit dem, was die eigentliche Übertragung ist, die Quelle, aus der die Übertragung stammt.

Er sitzt auf einem Lotus, einer Lotusblüte. Die steht hier für das Bodhicitta. Darauf liegt eine flache Mondscheibe. Die steht für die geschickten Mittel des Mitgefühls, die Mittel, die das Mitgefühl hervorbringt, um den Wesen zu helfen.

Das bedeutet, dass der Lama aus dem Bodhicitta geboren ist, aus dem Lotus des Bodhicitta entstanden, das ist sein Sitz. Das, was den Lama ausmacht, ist der Reichtum an geschickten Mitteln, um helfen zu können. Das macht seine erleuchtete Aktivität aus.

Es heißt, dass er liebevoll lächelt. Damit ist gemeint, dass er voller Liebe ist, das ist einfach zu verstehen. Das Lächeln ist, dass er nicht gefangen ist in den Problemen von Samsara. Und er erstrahlt in großem Glanz, das bedeutet, dass er alles Irdische transformiert hat.

Das ist vielleicht ungewöhnlich, wenn ich das so sage. Gemeint ist damit, dass er aufgrund seiner Weisheit nicht gefangen ist im Relativen. Dadurch kann es strahlen, dadurch ist er frei im Geiste.

Sein Mitgefühl ist frei von Bezugspunkten, das bedeutet, dass sein Mitgefühl nicht in Vorstellungen verweilt von Ich und Du, dass es nicht ein Mitgefühl ist voller Liebe für jemanden, der als wirklich und wahr aufgefasst wird, sondern ein Mitgefühl im Gewahrsein der illusorischen Natur der Dinge, der Leerheit aller Dinge.

Das ist ein Mitgefühl frei von Schleiern, frei von jeglicher Form von Sentimentalität.

Kontempliere ihn als die vereinigte Essenz aller Wurzel- und Linienlamas und rezitiere mit einer Haltung von Respekt und inbrünstiger, tiefer Hingabe das Liniengebet, wenn du dies möchtest, aber wiederhole insbesondere hundert- oder tausendmal das folgende Gebet:

Bevor wir zu diesem Gebet kommen – wir können uns hier vorstellen, dass der BuddhaWurzellama umringt ist von weiteren Lamas der Übertragungslinie. Wir können uns vorstellen, als wäre der ganze Raum gefüllt mit all den Millionen von Meistern, die an der Übertragung teilhaben.

In unsrem Praxistext finden wir an dieser Stelle ein längeres Liniengebet, das ihr in den Praxissitzungen noch nicht heute oder morgen, aber gegen Schluss des Kurses kennen lernen werdet. Um die intensivere Praxis müssen wir uns später kümmern, das passt nicht, dass wir das auch noch erklären. Dort werden die Namen der Linienhalter aufgezählt, ihre Qualitäten beschrieben und das weckt noch tiefere Dankbarkeit und noch tiefere Hingabe in uns. Darauf folgt dann der folgende Satz, den wir aber auch benutzen in unserer Praxis, auch wenn wir nur ganz kurz praktizieren.

„Vollkommen reiner Lama, großer spiritueller Freund von allen, bitte gewähre mir Deinen Segen! Bitte lasse in meinem Geistesstrom außergewöhnliche Liebe, Mitgefühl und den Erleuchtungsgeist entstehen.“

„Vollkommen reiner Lama“ bezieht sich hier darauf, dass wir den Lama in seinen Buddhaqualitäten ansprechen, wir sprechen den Buddha an. Er ist ein „großer spiritueller Freund“, weil er uns die Übertragung des Bodhicittas gewährt und vorlebt. Er ist ein universeller spiritueller Freund oder der „spirituelle Freund von allen“, weil sein Geist unterschiedslos alle Wesen umfasst.

Dann sagen wir: „Bitte gewähre mir deinen Segen“. Das klingt sehr dualistisch, ist auch so geschrieben. Gemeint ist, wenn wir sagen „djin-gyi lab-tu söl“: Durch die Kraft der Hingabe, die Kraft der Herzensöffnung, die ich verspüre, möge ich eintreten können in die Segenskraft des erleuchteten Geistes. Es ist nicht so, dass der Lama uns speziell den Segen schickt, weil wir gerade beten, sondern da wir beten, können wir uns dem stets vorhandenen Segen öffnen. Der wird nicht an oder abgestellt zu verschiedenen Zeiten.

Segnen ist allgegenwärtig, überall auf der Welt, in jeder Situation. Da die meisten von uns sich nicht einfach nur so dahinein öffnen können, brauchen wir eine Brücke, und die Brücke ist das Gebet an ein Gegenüber, der diese Brückenfunktion übernimmt. Buddha Shakyamuni oder Dordje Chang oder unser Wurzellama übernehmen diese Funktion, dass wir uns dank ihrer Gegenwart öffnen können und dadurch uns für das öffnen, das ihre Erleuchtung eigentlich ausmacht und das auch unsere eigene Buddhanatur ausmacht. Wir öffnen uns eigentlich für das, was zutiefst die Natur unseres eigenen Geistes ist.

Dann bitten wir darum, dass Liebe, Mitgefühl und der Erleuchtungsgeist in uns entstehen. Liebe und Mitgefühl sind Qualitäten, die wir kennen, aber sie sind ichbezogen in unserem jetzigen Leben. Es ist immer ich, der jemanden liebt, ich, der Mitgefühl empfindet. Wir bitten darum, dass sie zu außergewöhnlicher Liebe und außergewöhnlichem Mitgefühl werden, das alle Wesen umfasst und frei ist von der Illusion eines Ichs. Das ist der wahre Erleuchtungsgeist.

Wir können das Gebet still rezitieren, einfach innerlich sprechen, auch sogar ohne die Lippen zu bewegen. Wir brauchen nicht unbedingt laut zu beten. Wir können laut beten, wenn uns das das Herz mehr öffnet. Es kommt auf die Wirkung an. Wir müssen wirklich schauen, dass wir innig damit Kontakt aufnehmen. Wir dürfen durchaus auch mal andere Worte benutzen, wenn es das ist, was unser Herz am meisten mit Bodhicitta füllt. Es geht drum, eine tiefe innige Qualität der Hingabe und der inneren Öffnung zu entwickeln, aus der heraus wir nachher das „Austauschen mit anderen“ praktizieren können. Und wenn da steht, hundertmal , tausendmal wiederholen, das bedeutet nur: Lass nicht nach, solange sich nicht dieses Gefühl einstellt, wirklich verbunden zu sein, wirklich eingetreten zu sein in den Segen, bis wirklich ein Sichtwechsel stattgefunden hat. Da, aus dieser anderen Dimension heraus, die sich uns dann auftut, daraus wird dann Tonglen, das ‚Austauschen von sich und anderen’ praktiziert.

Das Gebet und überhaupt Beten sammelt, konzentriert unseren Geist. Wir geben unser ichbezogenes Streben auf im Beten, und lassen die Haltung fallen, alles allein und ohne Hilfe schaffen zu wollen. Das ist etwas ganz Wichtiges auf dem Weg. Solange wir aus dem eigenen Willen heraus meinen, den Weg gehen zu können, werden wir immer gegen die Mauer laufen, immer wieder. Es ist einfach ein Gesetz, ist in der Natur der Dinge. Der Wille ist aus dem Ich heraus geboren, dieser Wille, von dem ich jetzt spreche. Den geben wir auf, den geben wir hin. Erleuchtung entsteht aus dem Loslassen heraus und wir sagen, es entsteht aus Segen heraus. Die Christen würden sagen: es entsteht aus Gnade heraus. Gemeint ist, dass es unumgänglich ist, sich selbst loszulassen, das ichbezogene Streben auf eine Erleuchtung, die ich erfahren möchte, loszulassen.

Schließlich stelle dir vor, dass der Lama selbst durch die Brahma-Scheitelöffnung in dich eintritt und sich in deinem Herzen in einem Lichtzelt, einem Lichtpavillon, niederlässt, das wie ein aufrecht stehendes Ei geformt ist. Praktiziere mit starker Hingabe und Respekt. Dies ist der Guru Yoga, der äußerst wichtig zu Anfang einer jeden Sitzung ist.

Könnt ihr euch das vorstellen? Der Lama kommt als Dordje Chang auf unseren Kopf. Ihr könnt euch vorstellen, dass er so groß wie ein Daumen ist, und dann durch unseren Zentralkanal ins Herzenszentrum verschmilzt und dort in einem Lichtzelt sitzt. Er schaut in die gleiche Richtung wie wir. Das ist die Präsenz der Buddhanatur in uns, die dadurch stimuliert wird, offenkundiger wird.

Wenn wir vorher andere Lamas visualisiert haben, die den Wurzellama umgeben haben, die verschmelzen zuerst mit dem Wurzellama, dann tritt er in uns ein und lässt sich auf Lotus und Mondscheibe genau wie vorher nieder.

Das ist eigentlich, was natürlicherweise passiert, wenn wir in den Segen eintreten. Dann spüren wir nicht mehr diese Trennung – die starke Dualität Lama und Betender löst sich auf und Ausdruck davon ist, dass der Lama in uns verschmilzt. „In unserem Herzen sich niederlässt“ bedeutet, dass wir im Einklang sind, in Harmonie, dass unser Geist gleich schwingt wie der Geist der Buddhas und der Lamas.

Dann verweilen wir für einen kleinen Moment in natürlicher Entspanntheit und beginnen dann mit dem zweiten Punkt, der vorbereitenden Unterweisung, der Kontemplation dieser Unterweisung.

b) Die vorbereitenden Unterweisungen

Der zweite Teil der Vorbereitungen beinhaltet vier Kontemplationen: über die schwer zu erlangenden Freiheiten und günstigen Bedingungen, über Tod und Vergänglichkeit, über die Nachteile des Daseinskreislaufes und über die Ursache-Wirkungsbeziehung von Handlungen. Falls die Erklärungen hierzu neu sind, sollten sie wie im Stufenweisen Weg, den Lam-rim Texten, ausführlich gelehrt werden und man sollte darauf meditieren, bis sie mit Sicherheit im Geist hervorgebracht wurden.

Wer im Detail sich damit beschäftigen möchte, kann die entsprechenden Kapitel finden im „Kostbaren Schmuck der Befreiung“ von Gampopa lesen oder in Djamgön Kongtruls Erklärung zu den vorbereitenden Übungen im „Licht des wahren Sinnes“, das früher „Licht der Gewissheit“ genannt wurde. Das sind die beiden Referenzwerke für uns. Es gibt aber auch ein wunderbares anderes: Patrul Rinpotsche: „Die Worte meines vollendeten Lehrers“, ein wunderbares Buch jedenfalls, wo ihr ganz viel zu den vorbereitenden Übungen findet.

Für jene, die dies wünschen, seien im Folgenden die wesentlichen Gedanken zusammengefasst: „Die Basis für die Dharmapraxis ist der kostbare Menschenkörper versehen mit den vorzüglichen Freiheiten und günstigen Bedingungen. Um diesen zu erlangen, muss ich deren Ursache schaffen: vorzügliche heilsame Handlungen“.

Kostbares Menschendasein, der kostbare Menschenkörper ist eine menschliche Existenz, die natürlich frei ist von den einengenden Bedingungen einer Existenz als Mensch, als Hungergeist, in den Höllenbereichen oder den langlebigen Göttern, außerdem frei davon, in menschlichen Bedingungen geboren zu sein, wo wir entweder nicht den Dharma hören können, weil kein Buddha erschienen ist ??– ach nein, das kommt in der nächsten – weil wir in einer Gegend leben, wo der Dharma nicht gehört werden kann, weil wir beschränkte Sinne haben, also z.B. taubstumm sind, was es uns sehr schwer macht, den Dharma zu lernen etc. Das heißt „versehen mit den vorzüglichen Freiheiten“.

Die günstigen Bedingungen unseres Menschenlebens sind die, dass der Dharma tatsächlich noch existiert, dass er gelehrt wurde, dass es Menschen gibt, die ihn bis in unsere heutige Zeit weitergetragen haben, dass es Menschen gibt, die uns bei der Praxis unterstützen, und wir auch äußerlich Bedingungen haben, die es uns überhaupt ermöglichen, den Geist der Dharmapraxis zuzuwenden. Das sind die wesentlichen Bedingungen, die notwendig sind, um überhaupt den Dharma praktizieren zu können.

All diese Bedingungen beruhen darauf, dass wir in der Vergangenheit heilsame Handlungen ausgeführt haben. Wenn wir diese Bedingungen wieder erlangen wollen, um die Praxis fortzusetzen, müssen wir unbedingt mit heilsamen Handlungen fortfahren, müssen alles tun, um weitere Ursachen dafür zu schaffen, damit die Verdienste, die dazu geführt haben, nicht einfach aufgezehrt werden und dann ein Abstieg in schwierigere Verhältnisse stattfindet.

Da nur sehr wenige unter den Lebewesen reine, heilsame Handlungen ausführen, ist es für sie schwierig, deren Frucht, die Freiheiten und günstigen Bedingungen, zu erlangen. Wenn ich mir andere Lebewesen, wie z.B. die Tiere, anschaue, so erscheint es fast unmöglich, eine menschliche Existenz zu erlangen. Deshalb werde ich jetzt, wo ich einmal einen Menschenkörper erlangt habe, diesen nicht vergeuden, sondern alles tun, um authentischen Dharma zu praktizieren.

Die Seltenheit dieser Chance wahrzunehmen, ist sehr wichtig. Wir sitzen jetzt hier, wir haben es irgendwie hierher geschafft in den Kurs trotz einiger Hindernisse – aber andere haben es auch nicht hierher geschafft. Das sind sehr seltene Bedingungen, dass so etwas zusammenkommt, dass diese Übertragung gegeben wird, dass wir uns freimachen können, dass wir Zeit haben dafür und einen Ort finden – das machen wir uns gar nicht klar. Wir denken uns: na ja, wenn’s dieses Jahr nicht klappt, dann gehe ich nächstes Jahr! Ja – nächstes Jahr gibt’s diesen

Kurs nicht. Es ist nicht einfach so zu finden. Nächstes Jahr sind wir vielleicht noch kränker als dieses Jahr. Vielleicht sind wir schon tot. Das machen wir uns alles gar nicht klar, und auch, dass wir zu den ganz wenigen privilegierten Menschen gehören, die überhaupt mit solchen Unterweisungen in Kontakt kommen. Das sind von den fast 6 Milliarden, die wir sind, nur ein ganz paar, die diese Gelegenheit haben. Und die paar, die denken: Och, ich bin ein bisschen müde, ich habe so viel gearbeitet, ich muss mich jetzt ausruhen, ich glaub, dieses Jahr ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu solchen Unterweisungen zu kommen. Und so geht das Leben: man arbeitet, ist krank, dann gibt’s mal Besuch, es gibt immer Gründe, den Dharma nicht zu praktizieren. Das Leben geht sehr schnell vorbei, das ist dann der nächste Punkt.

Zudem ist die Lebensdauer ungewiss und es gibt viele Todesursachen. Ich kann nicht einmal sicher sein, dass ich nicht schon heute sterbe. Deshalb sollte ich von jetzt an alle meine Anstrengungen dem edlen Dharma widmen.

Hoffentlich passiert es nicht, dass jemand von uns heute noch von einem Auto überrollt wird oder einen schweren Unfall hat und morgen nicht mehr da sein kann. Wir wissen es nicht. Niemand von uns kann das in die Hand versprechen, dass er morgen noch da ist. Das sollten wir immer im Geiste behalten und uns auf das allerwichtigste in unserem Leben ausrichten. Das ist mit Dharma gemeint: das allerwichtigste immer im Geist haben. Was auch immer das für uns ist, aber das sollten wir auf jeden Fall tun und immer im Herzen tragen.

Aus der Vogelperspektive der erleuchteten Meister ist das Wichtigste in diesem Leben das, was uns im Tod hilft, weil das bereits Auswirkungen auf die nächste Existenz und auf alle folgenden Existenzen hat.

Im Tod wir mich außer den heilsamen und schädlichen Handlungen, die ich ausgeführt habe, nichts begleiten – weder Nahrung, Besitz und Reichtümer, noch Orte, Körper oder Macht. Sie sind alle bedeutungslos, da sie nicht von geringstem Nutzen sein werden.

Die heilsamen und schädlichen Handlungen haben solch eine starke Wirkung, weil sie unsere geistigen Tendenzen formen, das was über den Tod hinaus wirksam ist, was bewirkt, das wir unmittelbar nach dem Tod , wenn sich Körper und Geist getrennt haben, auf denselben Schienen weiterfunktionieren, die wir in diesem Leben kultiviert haben und in früheren Leben.

Nach dem Tod werde ich unter dem Einfluss von Karma, das heißt von den Auswirkungen meiner Handlungen, als eines der sechs Arten von Wesen wiedergeboren. Aber wo immer dies auch sein wird, es gibt dort nichts als Leid und nicht einmal einen Schimmer von Glück.

Kein Schimmer von Glück. Na, das stimmt doch nicht. Wir haben doch Schimmer von Glück in unserem Leben! Oder? Sind wir uns doch einig. Ja, da stimmt also was nicht mit den Unterweisungen hier.

Das lässt sich noch verstehen, wenn ihr euch daran erinnert, wie der Buddha die drei Arten von Leid beschrieben hat: das Leid, das das offenkundige Leid ist, das Leid des Anhaftens an Vergänglichem, das sich dann wieder auflöst. Es geht uns gut, es entstehen angenehme Erfahrungen, aber wir haften an, und dann geht’s uns gar nicht so gut, wenn’s aufhört, wenn’s vorbei ist. Gut, wer ein bisschen schlau ist und nicht so stark anhaftet, der kriegt das auch noch irgendwie gemanagt, dass die Dinge sich ändern, aber der dritten Form von Leid kann sich keiner entziehen: das Leid der Dualität, das Leid des Funktionierens in Ichbezogenheit. Dieses Leid ist allgegenwärtig in ganz Samsara. Deswegen nennen wir das überhaupt Samsara, weil diese dritte Form von Leid überall gegenwärtig ist. Selbst in den Götterbereichen, wo viel größeres Glück herrscht, als was wir uns je hier auf Erden ausmalen können. Das ist gemeint damit, dass es nicht einen Schimmer, eine Haarbreite heißt es auf tibetisch, von Glück zu finden gibt. Weil von echtem Glück die Rede ist, von wahrem Glück, Glück frei von Ichbezogenheit. Davon finden wir nichts in den sechs Daseinbereichen.

Frage: Ist es nicht so, dass es doch ab und zu durchschimmert … Gendün Rinpotsche – sonst hätten wir ihn gar nicht so erfahren können…

Irgendwas schimmert da doch durch. Vielleicht sollte ich mir das mit dem Schimmer noch mal überlegen! Eigentlich steht da „keine Haarspitze von Glück“, wie soll ich denn das auf Deutsch übersetzen? Irgendwas wird uns schon einfallen. Ein bisschen was schimmert durch, das motiviert uns tatsächlich, den Dharma zu praktizieren. Weil da doch was durchschimmert von diesem authentischen Glück. Aber ehrlich gesagt, das, was ihr für den Schimmer von authentischem Glück haltet, ist es noch nicht. Das ist ein Schimmer von etwas größerem, immer noch dualistischem Glück. Es ist noch nicht das andere. Auch in der Gegenwart mit Meistern ist das Glück, das wir erfahren, normalerweise eine Form von dualistischem Glück. Aber schon so gut, dass es uns auf den Geschmack bringt weiter zu gehen.

Die unweigerliche Folge von heilsamen Handlungen ist Glück und die von schädlichen

Handlungen ist Leid. Deswegen sollte ich auch unter Lebensgefahr keinerlei schädliche Handlungen ausführen, sondern mich einzig mit großer Anstrengung um heilsames Handeln bemühen.“ Übe dich ausdauernd in diesen Überlegungen, diesen Kontemplationen, die jetzt gerade alle erklärt wurden.

Diese Kontemplationen sollten bewirken, dass wir zutiefst Zuflucht nehmen und unserer Verwicklungen, Ichbezogenheit, entsagen, und Bodhicitta noch tiefer in uns verankern – jedes Mal, wenn wir darüber kontemplieren – dass es noch ein Stück tiefer geht.

Gendün Rinpotsche sagte wie viele andere Meister, dass die Vorbereitung die eigentliche Praxis ist. Die Hauptpraxis ist dann die Verlängerung dieser Praxis.

Was wir nämlich mit diesen vorbereitenden Kontemplationen entwickeln, ist die rechte Geisteshaltung. Die ist dann das, was alles weitere bestimmt. Wenn wir die nicht entwickelt haben, können wir gar nicht von einer Hauptpraxis sprechen, von einer Lodjong Praxis.

Zum Abschluss der Sitzungen führe so oft du kannst das siebenteilige Gebet aus und setze dann zwischen den Sitzungen diese Betrachtungen in die Praxis um. Dies gilt gleichermaßen für die Vorbereitungen wie auch für die Hauptpraxis.

Das siebenteilige Gebet, von dem hier die Rede ist – es gibt ganz viele verschiedene Praktiken in sieben Teilen. Die sieben Elemente sind, zunächst Zuflucht nehmen und Verbeugungen ausführen, dann unsere Verwirrungen, Übertretungen und schädlichen Handlungen bekennen.

Die Verbeugungen reinigen unseren Stolz. Das Bekennen reinigt, klärt die Verwirrung in unserem Geist. Dann machen wir weiter mit Opfergaben, die unser Anhaften auflösen und große Verdienste erzeugen.

Als viertes erfreuen wir uns an den Dharmahandlungen aller Wesen. Das befreit von Eifersucht und von einem Mangel an Respekt.

Dann kommt als fünftes, die Bitte an die Buddhas, das Dharmarad zu drehen. Dies bereinigt unser Haften an eigenen verkehrten Vorstellungen und auch unsere Tendenz, uns nur das Angenehme unter den Unterweisungen auszusuchen.

Frage: die Dorje Sempa Praxis gehört da nicht dazu?

Nein, die gehört nicht dazu. Das sind jetzt die sieben Zweige, das siebenteilige Gebet. Wir sind nicht bei den spezifischen Vorbereitungen, die das Ngöndro ausmachen.

Der sechste Teil ist die Bitte an die Buddhas, zu bleiben und uns zu helfen. Das bereinigt natürlich unsere Unwissenheit, wenn wir diese Hilfe bekommen, und schützt vor Fehlern, die vom richtigen Weg abbringen.

Als letztes, siebtes kommt die Widmung für die Erleuchtung aller Wesen. Mit dem Widmen verweilen wir in natürlicher Offenheit, was wir auch Leerheit nennen, und das macht die Praxis unerschöpflich und unzerstörbar.

Das waren die Erklärungen zum ersten Punkt, den vorbereitenden Übungen. Diese vorbereitenden Übungen stehen im Kontext des Paramitas der Freigebigkeit und beinhalten die Haltung, alles von sich zu geben, was den Wesen nutzen kann.

Dieses Geben entsteht, indem wir über Samsara nachdenken, über Karma usw., schädliche Handlungen unterlassen, heilsame Handlungen zum Wohle anderer ausführen, da beginnt dieser Elan der Freigebigkeit in unser Leben hineinzufinden. Entwickeln von Hingabe ist auch eine Form von Freigebigkeit.

Gendün Rinpotsche sagte, der zentrale Punkt der Vorbereitung ist, zu erkennen, dass alles

Leid, jedes Problem aus unserem eigenen Geist kommt, dass Samsara aus unserer eigenen Geisteshaltung besteht. Solange unser Geist nicht gezähmt ist, werden wir in Samsara umherirren. Wir müssen also erkennen, dass eine ichbezogene Suche nach Glück nur wieder neues Leid schafft.

Wer die vorbereitenden Übungen wirklich aufrichtig praktiziert, wird allein dadurch schon einen glücklichen Geist erfahren.

s. auch

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