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Buddhafamilien, Störgefühle

Aus: Berzin 2003

„Nach Trungpas Maitri-Raum-Gewahrseins-Programm haben wir alle in jedem Augenblick der Erfahrung zugleich:

  1. das Gewahrsein der Realität, mit dem wir, wie mit dem tiefen Gewahrsein (tib. ye-shes), offen und allumfassend sind und in einer entspannten Weise alles so aufnehmen, wie es ist – Buddhafamilie,
  2. das spiegelgleiche Gewahrsein, mit dem wir, wie mit dem allgemeinen Gewahrsein (tib. yid), die allgemeinen Eigenschaften des gesamten Sinnesspektrum, das wir wahrnehmen, hervorheben, so dass wir einen Überblick gewinnen: wir sehen, wie alles zusammenpasst und nehmen im Sinnesfeldes eine Ordnung war – Vajra-Familie,
  3. das gleichsetzende Gewahrsein, mit dem wir dem gesamten Feld unserer Wahrnehmung in gleicher Weise Beachtung schenken und mit dem wir alles, was sich in unserem Wahrnehmungsfeld befindet, in gleicher Weise akzeptieren – Juwelen-Familie,
  4. das individualisierende Gewahrsein, mit dem wir, wie mit dem spezifischen Gewahrsein (tib. rnam-shes), die Details jedes einzelnen Objekts, das wir wahrnehmen, erkennen – Lotus-Familie,
  5. das vollbringende Gewahrsein, mit dem wir uns mit dem, was wir spezifisch wahrnehmen, in Verbindung setzten und darauf reagieren – Karma-Familie.

Wenn sie mit Verwirrung vermischt sind werden die fünf Formen des tiefen Gewahrseins neurotisch und verzerren sich in die fünf störenden Emotionen und Geisteshaltungen in:

  1. Naivität, in dem Sinne, dass man unordentlich ist und sich nicht darum kümmert ob die Dinge „ Dieses“ oder „Jenes“ sind, und man benutzt alles als irgendwas,
  2. Wut, in dem Sinne, dass wir in Bezug auf Regeln und Ordnung entweder übermäßig präzise oder überempfindlich sind (etwa bei uns Zuhause, oder im gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Rahmen); wir werden wütend, wenn die Dinge nicht in unsere Vorurteile der Ordnung und in unsere Vorstellung, wie die Dinge sein sollten, hineinpassen,
  3. Arroganz, mit der man nicht alles und jeden in gleicher Weise akzeptiert und daher denkt, man sei besser als die anderen, oder dass alle anderen besser als man selbst sind. Außerdem der Geiz, mit dem man nicht akzeptiert, dass jeder bedürftig ist und aufgrund dessen man nicht teilt, was man hat,
  4. Anhaftung und Leidenschaft, mit denen wir die Individualität der Dinge übertreiben, aufgrund dessen wir ihnen gegenüber Anhaftung und Leidenschaft entwickeln; wir werden in unseren Emotionen überdramatisch,
  5. Eifersucht, mit der man ein starkes Konkurrenzdenken entwickelt und in fanatischer Weise arbeitet, um die anderen und sich selbst zu übertrumpfen.

In Kongtrüls Variante wird das spiegelgleiche Gewahrsein, mit dem man alle Informationen aufnimmt, der Buddhafamilie zugeordnet, während das Gewahrsein der Realität, mit dem man das Allgemeinbild dessen unterscheidet, was die Dinge sind, der Vajra-Familie zugehört. Spiegelgleiches Gewahrsein verzerrt sich zur Naivität, während das Gewahrsein der Realität sich zur Wut verzerrt.

Wie bei den beiden Varianten des allgemeinen Anuttarayoga-Tantra-Systems ist der neurotische Aspekt der Buddhafamilie die Naivität und die der Vajra-Familie die Wut, egal, ob es sich beim tiefen Gewahrsein, das mit der jeweiligen Familie assoziiert wird, um das spiegelgleiche Gewahrsein oder um das Gewahrsein der Realität handelt.“

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