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Die drei Drehungen des Dharmarades

„Es gibt viele verschiedene Weisen, die Lehren Buddhas zu gliedern. Eines der gängigen Modelle ist das der „drei Drehungen des Dharmarades“ oder der „drei Runden der Übertragung des Dharma“. Jede Runde wurde an einem unterschiedlichen Ort und zu einer unterschiedlichen Zeit im Leben des Buddha von ihm gelehrt. Dabei unterscheiden einige spätere Gelehrte, wie beispielsweise Tsongkhapa, diese drei Runden nach ihrem Inhalt und nicht einfach nur nach ihrer chronologischen Reihenfolge.“ (Berzin)

Prägnant zusammengefasst sind die drei Runden der Übertragung diese:

  • „Die erste ist die Grundlage des Dharma, die Lehre über die Vier Edlen Wahrheiten und die gegenseitige Abhängigkeit, das voneinander abhängige Entstehen, die eigentliche Wurzel des Buddhadharma.
  • Das zweite Drehen des Rades betrifft prajñāpāramitā. Es geht um die Vertiefung des Verständnisses der Leerheit, das natürlich schon bei der ersten Drehung des Rades sehr viel erklärt wird, das aber weiter entwickelt ist als in all dem, was wir die prajñāpāramitā-Sutras nennen, und das Verständnis der Leerheit vertieft.
  • Dann gibt es die dritte Drehung des Rades, bei der es immer noch um Leerheit geht, aber aus der Perspektive der Qualitäten, die immer noch erfahren werden, während man Leerheit erfährt. Die Lehren über die Buddhanatur, die Lehren über die Leuchtkraft des Geistes.

Das ist sehr schematisch, es ist eine sehr vereinfachte Art, die Dinge darzustellen, aber es gibt ein paar Anhaltspunkte. Diese drei Wendungen sind sehr komplementär, und sie verstärken einander, sie bauen aufeinander auf und sie führen Dich zu einem vollständigen Verständnis des Geistes, gemäß der grundlegenden Lehre und dem mahāyāna Ansatz, kombiniert“ (aus einem Vortrag von Lama Johann im Grünen Baum, 2020).

„Die erste Runde der Übertragung fand im Wildpark bei Sarnath statt. Der Buddha begab sich mit seinen fünf Gefährten direkt, nachdem er Erleuchtung erlangt hatte, dorthin, um seine erste Unterweisung zu geben. In dieser legte er die seiner gewonnenen Einsicht unterliegende Struktur dar: die vier edlen Wahrheiten. Diese sind: wahre Leiden, deren wahre Ursachen, deren wahre Beendigung und der wahre bzw. geistige Pfad, welcher zu einer wahren Beendigung des Leids führt. […] Darüber hinaus sind die in Wildparks lebenden Tiere wie Rehe und Hirsche als sanfte und friedvolle Tiere bekannt. Indem Buddha in einem Wildpark lehrte, wies er symbolisch darauf hin, dass seine Lehre einen friedvollen Zustand frei von Leiden bewirkt. […]

Buddha erteilte die zweite Runde der Übertragung seiner Lehren am Geiergipfel im Königreich Magadha, etwas außerhalb der Hauptstadt Rajagaha. Dies fand an einem besonders schwierigen Zeitpunkt seines Lebens statt. In seinem Heimatland Sakiya herrschte Krieg und in Magadha hatte der Kronprinz seinen Vater ins Gefängnis geworfen, den Thron an sich gerissen und seinen Vater dann verhungern lassen. Dies war ebenso die Zeit, in welcher Buddhas Cousin Devadatta versuchte, ihn zu töten und die buddhistische Klostergemeinde zu spalten. Auf seinem Weg nach Magadha wurde Buddha in Vajji verraten und diffamiert und begab sich daraufhin zu den Höhlen am Geiergipfel. In der zweiten Runde geht es hauptsächlich um die so genannten „Prajnaparamita Sutras“ oder die „Sutras der Vollkommenheit der Weisheit“. Diese behandeln die Thematik der Leerheit und die Stufen, mithilfe derer man unterscheidendes Gewahrsein der Leerheit erlangt. Leerheit ist die vollkommene Abwesenheit aller unmöglichen Existenzweisen, wie das Existieren auf konkrete und unabhängige Weise. Obgleich alles als in sich selbst begründet und unabhängig von Ursachen und Bedingungen erscheinen mag, entspricht diese Fantasieprojektion nicht der Realität. Um Befreiung und Erleuchtung zu erlangen, müssen Fantasie und Realität richtig voneinander unterschieden werden – eine nicht-begriffliche Wahrnehmung der Leerheit ist nötig.

Diese Inhalte zu lehren, ist im Kontext jenes Zeitpunkts im Leben Buddhas äußerst nachvollziehbar. Sowohl ihm selbst als auch um ihn herum geschahen so viele schreckliche Dinge, sodass der klösterliche Orden ein Mittel brauchte, mit diesen furchtbaren Gegebenheiten umgehen zu können. Das Verständnis der Leerheit sollte ihnen helfen, diese schwierigen Situationen zu dekonstruieren und zu verstehen, dass Tragödien wie die des Krieges nicht wie feste, greifbare Ungeheuer existieren, sondern abhängig von verschiedenen Ursachen und Bedingungen entstehen. Wenn man die zweite Übertragungsrunde aus diesem Blickwinkel betrachtet, scheint die Tatsache, dass Buddha die Leerheit an diesem Punkt seines Lebens lehrte, durchaus sinnvoll. […]

Die dritte Runde der Übertragung fand in Vesali, der Hauptstadt der Republik Vajji, statt. Buddha passierte Vajji auf seinem Weg zwischen Kosala und Magadha mehrere Male und es war dort, wo er schließlich auch einwilligte, den Nonnenorden ins Leben zu rufen. Vajji war eine arme Republik und die Tatsache, dass der Nonnenorden in einem egalitären Umfeld begann – an einem Ort, an dem der elitäre und konservative Orden der Brahmanen nicht so stark war –, spielte ein große Rolle. […]“ Der Buddha lehrte „über die Buddha-Natur, die Faktoren, die einem jeden innewohnen und die es einem ermöglichen, ein erleuchteter Buddha zu werden. Aufgrund der Buddha-Natur sind alle Wesen gleich und dies schließt sowohl Männer als auch Frauen mit ein. Über die Buddha-Natur zu lehren, war sehr hilfreich für die männlichen Mitglieder der klösterlichen Gemeinschaft, damit diese die neue Institution der Nonnen akzeptierten, und ebenso für die Nonnen, um diese zu ermutigen, sich besonders um Erleuchtung zu bemühen. Hier ist es von Bedeutung, dass Buddha diese Thematik in Vajji lehrte, einer egalitären Republik, in der die Wahrscheinlichkeit höher war, dass dies auch die Öffentlichkeit verstehen konnte. Darüber hinaus wäre es für jedermann nützlich, zu dem Verständnis zu kommen, dass trotz aller andauernden Konflikte und Kriege die grundlegende Natur des Geistes eines jeden – auch die des Geistes unserer Feinde – rein ist.“ (Berzin)

Vgl. Beitrag in StudyBuddhism

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