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Meditationstiefe

Forschung zur Meditationstiefe beschäftigt sich mit den Qualitäten meditativen Erlebens. Harald Piron hat das Konstrukt <Meditationstiefe> entwickelt und beschreibt seinen Forschungszugang so: „Als ich in meiner Doktorarbeit (2000) versuchte, die Gehirnströme während besonders „tiefer“ Meditation zu untersuchen, musste ich natürlich genauer hinschauen, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Die Probanden berichteten, dass die Tiefe der Meditation innerhalb einer Sitzung und auch über mehrere Sitzungen hinweg tatsächlich stark variierte. Allerdings bedeutete tiefe Meditation für meine Probanden nicht immer das Gleiche. Für die einen war die Tiefe der Entspannung entscheidend, für andere die Auflösung des Alltags-Ichs sowie die Erfahrung von Zeitlosigkeit, für wieder andere waren es starke positive Emotionen (Glück, Freude, Liebe) oder eine Kombination solcher Erfahrungen, die eine besonders tiefe Meditation kennzeichneten. So kam ich damals zu dem Fazit, dass die Meditationstiefe doch etwas recht Subjektives und Individuelles ist.“ (Piron 2020: V)

Piron konnte zunächst durch die Befragung von 45 erfahrenen Meditationslehrenden fünf Tiefenbereiche meditativen Erlebens beschreiben. „Die Übereinstimmung in der Einschätzung der Items war verblüffend hoch, obwohl die Experten aus sechs verschiedenen Traditionen kamen, in denen sie ausgebildet und als Meditationslehrer/ in autorisiert wurden (Theravada-Buddhismus, Zen-Buddhismus, Tibetischer Buddhismus, Christentum, Yoga und Taoismus).“ (ebd: 23)

„Wenn wir das, was Menschen in der Meditation erfahren, unabhängig von Tradition und Methode betrachten, können wir Qualitäten des meditativen Erlebens benennen, die sich auf den verschiedenen Wegen durch regelmäßige Übung entfalten. Sobald die anfänglichen Hindernisse wie Ungeduld, Gedankenrasen oder flache Kurzatmigkeit überwunden sind, setzt eine grundlegende Entspannung in unserem Körper und Beruhigung in unserem Gemüt ein. Was sich dann entfaltet, sind die Qualitäten meditativen Erlebens. Dazu gehören das Erleben von Bewusstseinsklarheit, eine intensive, konzentrierte oder fließende Energie, körperliche Leichtigkeit, ein verändertes oder aufgelöstes Zeit- und Körpergefühl, mentale Stille oder unendliche Leerheit, tiefere Gefühle von Glück, Frieden oder Liebe, Verbundenheit bis hin zu dem Gefühl des Einsseins mit allem.“ (Piron 2024)

In einer Liste dargestellt sind dies die Tiefenbereiche:

  • 1. Hindernisse (z. B. innere Unruhe, Gedankenrasen, Langeweile, Dösigkeit)
  • 2. Entspannung (ruhige Atmung, Wohlbefinden, wachsende Geduld)
  • 3. Konzentration (Aufmerksamkeitssteuerung, Gedanken- und Emotionsregulation)
  • 4. Essenzielle Qualitäten (z. B. unermessliche Freude, Liebe, Verbundenheit, Demut, Zeitfreiheit, Klarheit, formlose Energie)
  • 5. Non-Dualität (Einssein, Subjekt/ Objekt-Transzendenz, leeres/offenes Bewusstsein)“ (ebd)

Dimensionen – Ebenen – Erlebensmodus

„Die meditativen Erlebnisqualitäten liegen also nicht alle auf der gleichen Ebene, sondern entfalten sich in einer Dimension, die sich als Meditationstiefe beschreiben und bezeichnen lässt. Meditationsexpertinnen und -experten aller Traditionen sind sich einig, dass Übende nicht einfach vom Alltagsmodus in einen tiefen Versenkungszustand kippen, sobald sie auf dem Kissen sitzen, sondern einen Prozess durchlaufen, eine innere Reise. Diese Reise führt in tiefere Bewusstseinszustände“ (Piron 2024)

„Bei der Interpretation dieser Tiefenbereiche ist das Fehlen einer zeitlich-linearen Reihenfolge zu beachten. Die Schlussfolgerung, dass es sich dabei um fünf Stufen der meditativen Entwicklung handelt, die jeweils hintereinander durchlaufen werden, ist nicht zulässig. Der Gedanke einer zunehmenden Meditationstiefe mit fortschreitender Meditationserfahrung erschien jedoch plausibel und konnte empirisch gestützt werden (Piron 2003).“ (Piron 2020:23)

Emergenz

„Wichtig für das Verständnis dieser fünf Tiefenbereiche ist das Prinzip der Emergenz, der zunehmenden Transzendenz und Integration. Emergenz bedeutet, dass etwas Neues „auftaucht“, das nicht linear-kausal auf frühere Faktoren oder Ursachen zurückgeführt werden kann, diese aber durchaus voraussetzt. Entspannung verursacht nicht Konzentration, Konzentration verursacht nicht transpersonale Erfahrungen und transpersonale Erfahrungen verursachen nicht das nonduale Einheitserlebnis. Aber um sich konzentrieren zu können, muss man zunächst einigermaßen entspannt sein. Und das Erleben von tiefer Liebe oder Verbundenheit wäre kaum möglich, wenn der Geist unkonzentriert wäre und folglich von oberflächlichen inneren und äußeren Eindrücken abgelenkt wäre. Der nächste Tiefenbereich bringt also den vorherigen nicht zum Verschwinden, sondern transzendiert und integriert ihn.“ (Piron 2024)

Tradition und Methode

Die bisherigen Forschungen zu den Dimensionen der Meditationstiefe ergab keine signifikanten Unterschiede bei den untersuchten Meditationstraditionen. Piron beschreibt tendenzielle Unterschiede: „Praktizierende der christlichen Kontemplation scheinen sensibler oder offener für den vierten Bereich zu sein. Theravada-Buddhistinnen und -Buddhisten erleben den dritten Bereich als sehr stark, wo es um Achtsamkeit und Konzentration geht. Praktizierende der Meditationsformen des Zen und des tibetischen Buddhismus bewerten den dritten und den fünften Tiefenbereich oft höher als den vierten.“ (Piron 2024)

Eigenschaften der Persönlichkeit

Es gibt persönliche Eigenschaften, die mit dem Zugang zu Dimensionen der Meditationstiefe in Verbindung gebracht werden. Dies bedeutet, dass diese Eigenschaften durch die Meditationspraxis verändert werden und umgekehrt diese Eigenschaften die Meditationspraxis beeinflussen. Das betrifft etwa die so genannte Absorptionsfähigkeit (Hölzel/Ott 2007), die Fähigkeit zur Entspannung oder die Aufmerksamkeitssteuerung oder die Fähigkeit, die Emotionen zu regulieren (Ott/Hölzel 2011). „Heutzutage werden Meditationstechniken als Methoden der geistigen Schulung („mental training“) verstanden, mit deren Hilfe gezielt das vegetative Nervensystem („Entspannung“), die Aufmerksamkeit („Konzentration“, „Achtsamkeit“) und die Emotionen („Akzeptanz“, „Mitgefühl“) reguliert werden können.“ (ebd.)

„Für die Förderung und Erhaltung der geistigen Flexibilität durch Meditation sprechen zwei Studien, in denen der typische altersbedingte Abbau der grauen Substanz in der Gruppe der Meditierenden nicht gefunden wurde und sich in einem Aufmerksamkeitstest auch keine Abnahme der Leistungsfähigkeit in der Meditationsgruppe zeigte.“ (ebd)

siehe auch:

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