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Ze Zh Zu

Zen – Psychotechnik oder Religion?

Von Dr. Wolfgang Herbert

Dr. Wolfgang Herbert, Promotion in Japanologie (Nebenfach: Religionswissenschaften) an der Universität Wien 1993, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Tokushima. Der Autor war so freundlich, seinen Text für dagpo.de freizugeben.

Restez Zen

Soyez Zen!” oder “Restez Zen!” heißt es heute im Französischen, wenn es darum geht, die Ruhe zu bewahren. Das zeigt, wie weit und tief „Zen“ in die westliche Alltagskultur eingedrungen ist. Die Redensarten machen auch deutlich, was im populären Gebrauch unter „Zen“ verstanden wird. Zen steht für einen gelassenen, ruhigen, alerten Geisteszustand – und das weitgehend abgelöst von seinem historischen, kulturellen und religiösen Kontext. Zen ist zu einem Wellbeing- und Lifestyle-Element geworden, das Entspannung und ästhetischen Mehrwert verspricht. Zen wird als geistiges Potenzmittel (im Stile des „Zen für Manager“) angepriesen, das garantiert, dass mit einem Gran Zen gewissen Tätigkeiten oder Steckenpferden mit Disziplin, geschärfter Aufmerksamkeit und Erfolg (!) nachgegangen werden kann. Dass Zen mit dem Buddha in Zusammenhang steht, ist vielleicht noch als Hintergrundwissen präsent. Buddhafiguren gehören heute freilich gleichfalls zum Wohlfühldekor des gehobenenen urbanen Bildungsbürgertums und in Intellektuellen- und Künstlerkreisen. Zen, Buddha und Bohéme sind cool.

Gehen wir auf Spurensuche. Die Bezeichnung Zen leitet sich vom Sanskrit dhyâna ab, mit dem meditative Praktiken und Bewusstseinsebenen bezeichnet werden. Durch die Verlautlichung im Chinesischen und Verkürzung auf ein Zeichen kam es zur japanischen Lesung „Zen“, das zur Bezeichnung einer buddhistischen Schule wurde.[1] Im Yoga-Klassiker des Patanjali bezeichnet dhyâna die siebte Stufe des Weges vor dem samâdhi, dem – dualistisch gedacht – Verschmelzen des individuellen Bewusstsein mit dem All-Urgrund, einer Form der unio mystica. Da sind wir am Kern der Sache. Die zentrale Erzählung des Zen dreht sich um die „Erleuchtung“ des historischen Buddha Shakyamuni. Nach Jahren des Experimentierens mit yogischen und asketischen Übungen, erfährt der Buddha unter dem Bodhi-Baum sein plötzliches Erwachen und erschaut die letzte Wirklichkeit. Seine Lehre ist tief im Denken Indiens verwurzelt, das um die Fragen des Karma (Handlung und deren Folge), der Wiedergeburt, der Befreiung aus deren Kreislauf und vom Leiden und der Stellung des Menschen (der Seele) zum göttlichen Ganzen (der Transzendenz) kreist[2]. Darauf gab er seine radikalen Antworten.

Die Lehre

Der Buddha verkündete: Alle Phänomene sind unbeständig und substanzlos, alles existiert nur in wechselseitiger Bezogenheit, in interdependentem Entstehen und Vergehen. Nichts hat eine Eigennatur, alle Gestalten des Seins und Bewusstseins sind momenthaft, ohne an-sich-seiende Identität, sie haben keine substantielle, er- oder begreifbare Existenz. Desgleichen gibt es kein Ich oder Selbst als Träger von irgendwelchen Eigenschaften, keinen ewigen âtman (Wahres Ich oder Selbst).

Die Lehre vom Nicht-Ich (an-âtman, jap. muga 無我) war revolutionär, wenn nicht blasphemisch. Im Zen kursieren viele begriffliche Verbindungen mit dem mu 無 in Form eines Deprivativums: mushin 無心 („Nicht-Geist“), munen musô 無念無想 („Nicht-Denken und Vorstellen“), mushotoku 無所得 („Nicht-Gebundensein“), muyoku 無欲 („ohne Begierden“), muge jizai 無礙自在 („uneingeschränkt frei“) u.a. Alle diese Ausdrücke umschreiben den idealen Zen-Geist und das mu 無 wurde einer seiner zentralen Chiffren. Im Zen wird mu mit 空 (Sanskr. sûnyatâ) synonym verwendet (ZDH 1985: 240 u. 1199). Es designiert die „Leerheit“, die letzte non-duale Wirklichkeit.

色即是空、空即是色 (shiki soku ze kû, kû soku ze shiki) „Leere ist Form, Form ist Leere“ wird es im späteren Buddhismus heißen. Es steht gleich nach der Eröffnungszeile des Herzsutra, das in Zen-Kreisen gerne rezitiert wird. Es war der geniale buddhistische Philosoph Nâgârjuna, der die „Leere“ () mit dem Entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit gleichgesetzt hat, d.h. der Relativität aller Dinge, die keine Realität in sich selbst haben. Das ist wiederum in der zentralen Lehre über die Unbeständigkeit (無常 mujô) und Nicht-„Seele“ (muga 無我) reflektiert (Murti 2006:122). Nâgârjuna gilt als der Denker des „Mittleren Weges“: „Die Leere … ist auf keinen Fall gleichzusetzen mit Nichtexistenz oder dem absoluten Nichts. Alle Erscheinungen sind voneinander abhängig, es gibt keine positive Realität – und selbst dieser Gedanke (die Leere) ist kein Absolutes, sondern ebenfalls ‘abhängig’. Insofern fordert uns Nâgârjuna im Sinne des historischen Buddhas dazu auf, zwischen den beiden Extremen (‘Alles ist absolut real’ und ‘Alles ist nichts’) eine mittlere Position einzunehmen.” (Marchal 2019:296-7).

Das Schweigen

Die Lehre des Zen liegt in erster Linie in seiner Praxis. Es ist, „die vom Taoismus durchtränkte chinesische Meditationsschule des Mahâyâna-Buddhismus“. (Dumoulin 1976:43). In typologischer Form wird die Lehre des Zen über eine Erzählung tradiert, die als die Gründerlegende des Zen gelten darf. Es geht um die “Blumenpredigt” des Buddha Shakyamuni am Geierberg. Buddha hielt vor seiner versammelten Schülerschar eine weiße Blume in der Hand, die er wortlos betrachtete. Seine Adepten wussten nicht so recht, was da geschah, nur der asketische Mahâkâshyapa zeigte den Anflug eines Lächelns. Er hatte damit bekundet, dass er die Essenz der Lehre seines Meisters intuitiv erfasst hatte. Damit begann die Übertragungslinie des Zen. Im Japanischen heißt diese Episode prägnant nenge mishô (拈華微笑): “Beim Hochheben einer Blume, verhaltenes Lächeln”. 

Ein analoges schweigendes Einvernehmen wird bei der Nachfolge auf den ersten Patriarchen des chinesischen Zen, Bodhidharma, überliefert. Einer Legende zufolge soll Bodhidharma nach neun Jahren im Shaolin-Kloster wieder nach Indien zurückgekehrt sein. Zuvor rief er seine Schüler zu sich, “um ihre Verwirklichung seiner Lehre zu prüfen. Der erste Schüler, den er fragte, sagte: ‘Wie ich es verstehe, sollten wir, wenn wir die Wahrheit verwirklichen wollen, uns weder ganz auf Worte verlassen, noch sollten wir die Worte ganz abtun; wir sollten sie vielmehr als ein Werkzeug auf dem Weg benutzen.’ Bodhidharma antwortete ihm: ‘Du hast meine Haut erfaßt.’ Als nächstes trat eine Nonne vor und sagte: ‘Wie ich es verstehe, ist die Wahrheit wie eine glückverheißende Schau des Buddha-Paradieses; man sieht sie einmal und dann nie wieder.’ Ihr antwortete Bodhidharma: ‘Du hast mein Fleisch erfaßt.’ Der nächste Schüler sagte: ‘Die vier Großen Elemente sind leer und die fünf Skandhas [= Daseinsfaktoren, W. H.] sind nicht-existent. Es gibt in der Tat nichts, das zu erfassen wäre.’ Hierauf entgegnete Bodhidharma: ‘Du hast meine Knochen erfaßt.’

Schließlich war Hui-k’o an der Reihe. Er sagte jedoch nichts, sondern verbeugte sich nur schweigend vor dem Meister. Ihm sagte Bodhidharma: ‘Du hast mein Mark erfaßt.’” (Fischer-Schreiber 1986:44)

Eine konzise Charakterisierung des Wesens des Zen in poetisch verdichteter Form lautet:

教外別伝  kyôge betsuden eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften

不立文字  furyû monji unabhängig von Wort und Schriftzeichen

直指人心  jikishi ninshin zeigt direkt auf das Herz des Menschen

見性成佛kenshô jôbutsu durch die Schau ins eigene Selbst wird man ein Buddha 

            Auch diese klassisch mit vier Zeichen formulierten Zeilen werden dem Bodhidharma zugeschrieben. Sie verweisen darauf, dass die direkte Erfahrung mehr zählt als verbale Unterweisung oder kanonische Schriften. Seit Mahâkâshyapa, so will es der Zen, wurde die eigentliche Lehre wortlos von Meister zu Schüler und in ununterbrochener Folge weitergegeben. Bodhidharma gilt daher als der 28. Meister in direkter Linie, die bis zum Buddha Shakyamuni zurückverfolgbar ist. In japanischen Zenklöstern werden die Namen aus dieser Meisterlinie, die bis in die Gegenwart reicht, zu bestimmten Anlässen rezitiert. Eine Liste der indischen Patriarchen findet sich in Yampolsky (1967:8-9). Diese Genealogie konsolidierte sich im 8. Jh. u.Z. in China und diente der Legitimation als genuin buddhistischer Schule und Herausstreichung der Besonderheit des Zen.

Die wortlose Übertragung und Erfassung der Lehre wird im Japanischen 以心伝心 ishin denshin genannt. Das bedeutet in etwa “von Herz zu Herz”, im weiteren Sinne intuitives, quasi telepathisches Verständnis und Verstehen. Im Zen herrscht eine Skepsis der Sprache gegenüber, der nicht zugetraut wird, die letzte Wirklichkeit („Leerheit“) oder deren direkte Erfahrung adäquat ausdrücken zu können.

Mystiker aller Kulturen und Zeiten schweigen oder stammeln oder bringen endlose Negationen vor, wenn es darum geht, die mystische Erfahrung des Absoluten zu beschreiben, die jenseits alles gedanklich und sprachlich Fassbaren liegt. „Der ‚Inhalt‘ der Erinnerung ist in diesem Fall ein Zustand, der sich als wacher vorstellungsfreier Aufenthalt in einem klaren Medium oder einem Nichts beschreiben ließe, mit dem Zusatz, daß dieses Nichts, aus der ‚Position‘ des In-Seins erfahren, ebensogut als Fülle aufgefaßt werden kann. Aber weil der Zustand selbst ein vorsprachlicher ist, kann ihn die Frage, ob Leere oder Fülle seine wahre Natur besser charakterisiert, nicht berühren. Wo die Union sich in actu vollzieht, dort sind Darstellungs- und Deutungsprobleme fern. Solche treten erst auf den Plan, wenn es gilt, den sprachfreien Zustand an sprachliche Prozesse anzuknüpfen. Man könnte diesen Übergang als das Kommunikationsproblem der Mystiker bezeichnen. Sie alle kennen die unüberwindliche Verlegenheit, mit Zeichen, die dazu dienen, Unterschiede zu machen, einen Zustand zu evozieren, der vom Unterschied unberührt ist.“ (Sloterdijk 1993:69).

Bodhidharma’s Nichtwissen

Im Zen behilft man sich mit Körpersprache, exzentrischen Aktionen, apophatischen Repliken oder paradoxen Aphorismen oder Geschichten (kôan), mit denen der übersprachliche, transrationale Zustand evoziert werden soll. Schon das erste Auftreten Bodhidharmas, der mutmaßlich aus Südindien stammt und sich auf Missionsreise nach China begeben hatte, zeugt von diesem Geist. Über die Begegnung Bodhidharmas mit dem Kaiser Wu (jap. Butei 武帝) wird ein abrupter Dialog kolportiert, der sich zwischen den beiden entsponnen haben soll (oder der so rekonstruiert ist, dass das Wesen Bodhidharmas und seiner Lehre in nuce erhellt wird).

Nachdem Bodhidharma nach langer Seefahrt im Jahre 527 in der Provinz Guangzhou landete, wurde er vom dortigen Gouverneur pompös empfangen. Seine Ankunft wurde dem Kaiser Wu weitergeleitet und er traf diesen 528 in Nanjing. Kaiser Wu sah sich als chakravartin (“einer, der das Rad [der Lehre] dreht”, Herrscher) im Sinne des indischen Kaisers Ashoka (304-232 v. Chr.), legte mehrfach das Bodhisattwa-Gelübde ab und widmete sich buddhistischen Studien und Übungen. Er ließ buddhistische Tempel und Monumente errichten, lebte zeitweise strikt vegetarisch und schickte die meisten seiner Konkubinen zu ihren Familien zurück. Bodhidharma hat nun die Chuzpe, dem darauf stolzen Kaiser ins Gesicht zu sagen, dass alle “Verdienste” wie Tempel stiften, Sutren abschreiben und Mönche weihen lassen, Schall und Rauch und keine Spur von Verdienst darstellen. Das wahre Verdienst, gab Bodhidharma auf die entsprechende Nachfrage kund, sei nicht auf materielle Weise erlangbar, sondern bestehe in reiner Weisheit, deren Wesen hingegen die Leere sei. “Was ist das erste Prinzip der heiligen Wahrheit?” frug Kaiser Wu weiter. Bodhidharma entgegnete: “Nichts von heilig, offene Weite!” Als Kaiser Wu wissen will, wer ihm da Rede und Antwort stand, gab Bodhidharma zurück: “Weiß es nicht!”

Dieses Zwiegespräch atmet ganz den Geist des Zen. Abrupte Abschmetterungen, absurde Paradoxe, irrwitziger Widersinn, ordinäres Vor-den-Kopf-Stoßen, Schweigen mit gestischer Theatralik, körperliche Züchtigung und wie oben furchtloses jeglicher Autorität die Stirne bieten gehören in das Repertoire der Meister-Schüler-Interaktionen in der Geschichte des Zen. Wie einer der ersten Pioniere des Zen im Westen, Fritz Hungerleider, trefflich notiert: “Das befreiende Lachen zu besitzen und es vermitteln können, ist eine besondere Gabe. Es ist mir keine religiöse Form der Menschheit bekannt, die das Zwerchfell mehr strapaziert als das Zen.” (Hungerleider 1976:52)

Beispiele dafür gibt es zuhauf, ich möchte hier illustrativ nur eine kleine Episode anführen, die über Hakuin Ekaku (1686-1769) kursiert: “Dann war da noch die alte Frau in Hara, die Hakuin in einer Lehrrede sagen hörte: ‘Euer Geist ist das Reine Land und euer Körper ist der des Amida-Buddha!’ Diese Aussage diente ihr als kôan[3] und eines Morgens erlebte sie den Durchbruch (= kenshô 見性: Verwirklichung, ‘Erleuchtung’) während sie nach ihrem Frühstück beim Aufräumen war. Sie eilte zum Tempel, in dem Hakuin weilte und verkündete ihm: ‘Amida hat meinen Körper verschlungen! Das Universum strahlt! Wie herrlich, wahrlich!’ ‘Unsinn’, gab Hakuin zurück, ‘leuchtet es auch dein Arschloch aus?’ Die fragile Alte versetzte dem großen Hakuin einen Stoß und rief: ‘Was weißt denn du schon von Erleuchtung?’ Dann brüllten die beiden vor Lachen.” (Paraphrasiert und übersetzt von W.H. nach Stevens 1999:84).

Die Praxis

Eine für die Zen-Praxis ausschlaggebende Legende besagt, dass Bodhidharma neun Jahre lang vor einer Wand gesessen und meditiert habe. Reines Sitzen (tanza 単座), “ohne Sutren oder Schriften zu lesen oder sich vor Buddha-Statuen zu verbeugen” (ZDH 1985:1221), sprich: rituelle Handlungen auszuführen. Der Terminus auf Jap. lautet: 面壁九年 (menpeki kunen). Menpeki = “einer Wand gegenüber sitzen” bzw. 壁観 hekikan = “Wandanschauen” sind im Japanischen zu einem Synonym für das Sitzen im Stile des Zen (zazen 座禅) geworden und die Praktizierenden in der Sôtô-Schule sitzen in der Tat mit dem einer Wand zugewandten Angesicht in Meditation. Menpeki, das Zur-Mauer-gewendet-Sein, wird auch so interpretiert, dass der Geist mauergleich gegen die Außenwelt abgeschottet wird und so an nichts mehr anhaftet, was sich dort abspielt. Die Stelle, an der Bodhidharma gesessen haben soll, wird heutzutage Touristen, die den Shaolintempel besuchen, gezeigt. Ob er tatsächlich dort in kontemplativer Versenkung gesessen hat, ist historisch schwer belegbar.

Eine reizvolle, gleichfalls realitätsferne Anekdote bringt Bodhidharma mit dem im Zen-Buddhismus betriebenen Teekult in Verbindung. Während seiner langen Sitzmeditation drohte er immer wieder von Schläfrigkeit übermannt zu werden, weshalb er sich in einem impulsiven Ausbruch die Augenlider ausriß und an die Mauer schleuderte. Das Pflänzlein, das darob erwuchs, erwies sich in Form von Tee als müdigkeitsvertreibend. Die Teepflanze wurde in Japan von buddhistischen Mönchen erstmals Anfang des 9. Jh. und dann notabene von Eisai/Yôsai (栄西1141-1215), dem Begründer der Rinzai-Schule aus China überbracht.

In Japan ist Bodhidharma zum Maskottchen und Kinderspielzeug verkommen. Meist aus Holz gefertigt in ovaler Form und Stehaufmännchenmanier zeigt er auch da seine unverwechselbaren Attribute: purpurrote Robe, wilder Bart und grimmiger Blick. Dass er keine Beine hat, soll darauf zurückgehen, dass diese aufgrund des langen Sitzens vor der Mauer atrophiert und abgefallen seien. Seine religionsheroische Tat hat somit in dieser Puppenform ihre Spuren hinterlassen, obgleich das den meisten Japanern nicht mehr bewusst ist.

Allmähliches oder plötzliches Erwachen[4]

Eine wesentliche Anschauung des Mahâyâna-Buddhismus besteht darin, dass allen lebenden Wesen die Buddha-Natur zu eigen ist. Dies hat immer wieder zu missverständlichen Interpretationen geführt. Während die orthodoxe Linie darauf besteht, dass die Buddha-Natur vorerst nur potentiell da ist und erkannt und realisiert werden muss und dies nur durch religiöse Übungen und meditative Praxis möglich sei, gab es periodisch Strömungen, denen zufolge im Grunde nichts zu tun sei, da alle schon immer Buddhas seien. Es bleibt ein stachliges Paradoxon: “Buddhaschaft ist gleichzeitig weit weg und ganz nah. Es gibt nichts, wovon wir weiter entfernt sind und nichts was uns näher ist als Buddhaschaft. Es ist dieses Paradox von Nähe und Distanz, das das Dilemma zwischen den allmählichen und plötzlichen Wegen unterstreicht. Die allmähliche Orientierung betont die extreme Distanz hinsichtlich des Erwachens, die plötzliche ihre extreme Nähe.” (Batchelor 1990:77)

In der Zen-Tradition bildeten sich in China die “Südschule der Plötzlichkeit” und die “Nordschule der Allmählichkeit” heraus, wobei erstere den spontanen Durchbruch zur anderen Wirklichkeit betonte, währende zweitere ein graduelles Erwachen postulierte. Exemplarisch dafür sind zwei Gedichte, die in der Frage um die Nachfolge des fünften Patriarchen Hung-jen überliefert sind. Er hatte seine Jünger angewiesen, ein Gedicht zu verfassen, das ihren Erleuchtungsstand widerspiegeln möge. Der ranghöchste Schüler Shen-hsiu hatte zwar profunde Sutrenkenntnisse, aber wenig innere Verwirklichung. Er dichtete mit Mühe die Stanzen:

Der Leib ist der Baum der Erleuchtung (bodhi)

Der Geist gleicht einem klaren Spiegel.

Müh’ dich, ihn allezeit abzuwischen!

Lass kein Staubkorn sich darauf ansetzen!

            Der Meister lobte das Gedicht, bestand aber auf einer weiteren Strophe, da diese noch nicht hinreichend den Erleuchtungsgeist ahnen lasse. Hui-neng, ein mittzwanzigjähriger, von religiösem Eifer erfüllter, aber ungebildeter Klosterbruder, der allein beim Hören des Diamantsutra die letzte Ein- oder Durchsicht erlangt haben soll, ließ sich das Gedicht vortragen, da er selber nicht lesen konnte. Darauf diktierte er folgende Verse, die ein Klosterknabe auf eine Wand kritzelte:

Es gibt keinen Baum der Erleuchtung,

Noch gibt es einen Ständer mit einem klaren Spiegel.

Von Anfang her existiert nicht ein einziges Ding.

Wo kann sich da ein Staubkorn ansetzen?[5]

Alle Jünger bewunderten das Gedicht, aber Meister Hun-jen löschte es aus und bemerkte, es zeuge nicht von Erleuchtung. In der Nacht ließ er aber Hui-neng zu sich kommen und übertrug ihm seine Nachfolge, indem er ihm seine Almosenschale und seine Robe, die Insignien des Patriarchats, überreichte. Auf Anweisung Hung-jen’s verließ Hui-neng das Kloster noch in derselben Nacht und begab sich nach Süden, um vor dem Neid der anderen, alteingesessenen Jünger verschont zu bleiben. Dort gründete er die Linie, in der fortan das plötzliche Erwachen gelehrt wurde, wodurch sich eine spezifisch chinesische Spielart des Zen ausbildete, die dann weiter nach Japan vermittelt wurde. 

Bankei Eitaku, ein berümter Zen-Mönch aus dem 17. Jahrhundert pflegte zu sagen: „Es gibt keinen Augenblick, wachend oder schlafend, in dem du nicht ein Buddha bist.“ Obwohl er sich selbst rigorosem Geistestraining und asketischen Praktiken unterzogen hatte, kam er nach seiner Erleuchtung zum Schluss, dass dies eigentlich unnötig war. Manche seiner Schüler gingen in der Folge so weit, jede Art von Übung abzulehnen, langes regungsloses Sitzen in Meditation sei nicht notwendig, verkündeten sie. Sie lebten einfach in den Tag hinein im Glauben ohnedies schon im Stande der ihnen angeborenen Buddhaschaft zu sein. Der große Reformer des japanischen Zen im folgenden Jahrhundert, Hakuin, wandte sich scharf und enragiert gegen dieses tunichtgute „Nichtstu-Zen“. Tagediebe seien diese Mönche, die in den Tempeln herumlümmelten und sich von den Leuten aushalten ließen, stumpfsinnig seien sie wie Holzblöcke, schalt er, alle Mühsal und Anstrengungen, denen sich Buddha und Bodhidharma unterzogen hatten, würden auf diese Weise geschmäht und geschmälert.

Hakuin selbst hielt sich strikt an das Motto des chinesischen Meisters Pai’chang: „Ein Tag ohne Arbeit, ein Tag ohne Essen.“ Seine Schüler trieb er zu unermüdlicher Aufmerksamkeit an. „Macht alles zu einem Meditationsgegenstand (kôan)“, pflegte er zu lehren, „betrachtet die Berge, Flüsse und große Erde als eure Meditationsstätte und das Universum als eure ureigene Meditationshöhle.“

Das Sitzen

Zazen, das einfache Sitzen in stiller Gegenwärtigkeit, war nicht nur für Hakuin die zentrale Praxis des Zen, sondern wird auch heute vornehmlich mit Zen in Verbindung gebracht. Es gibt hingegen auch eine analoge daoistische Praxis. Sie nennt sich „Sitzen in Vergessenheit“. Die zwei Zeichen für “Sitzen und Vergessen” lauten 坐忘 (chines. zuowang, jap. zabô). Das Äquivalent zu dieser Übung heißt im Konfuzianismus “still sitzen” (静坐 chines. jing zuo, jap. seiza, nicht zu verwechseln mit dem formalen Kniesitz seiza 正座). Diese kontemplativen Exerzitien entsprechen dem zazen (坐禅) im Zen-Buddhismus, namentlich in der Variante des “Nur-Sitzens” (只管打坐shikantaza) in der Sôtô-Schule. Im Daoshu (道樞), einer Sammlung daoistischer Texte und Abhandlungen aus der Zeit der Song-Dynastie (960-1279) wird ausdrücklich erklärt, dass, als Zhuângzî “Sitzen und Vergessen” praktizierte, er dasselbe tat wie Bodhidharma, als er “die Wand anstarrte”. (Kohn 2010:12) Alle drei großen religio-philosophischen Strömungen in China haben also analoge Meditationsmethoden entwickelt, was sich wohl dem intensiven synkretistischen Austausch verdankt. Ich vermute, es handelt sich um eine anthropologische Konstante, ein urmenschliches Bedürfnis nach Innehalten und Selbsterforschung.

Der religiöse Synkretismus war im China der Ming-Zeit (1368-1644) schon weit fortgeschritten. “Die drei Religionen vereinigen sich in Eine” (chin. sanjiao heyi 三教合一, japan. Lesung: sankyô gôitsu) war der entsprechende Slogan. Und Gelehrte aus allen drei Lagern (Daoismus, Buddhismus, Konfuzianismus) ermunterten dazu, die Schriften der jeweilig anderen Konfessionen zu studieren und Gemeinsamkeiten zu finden. Die drei Religionen galten als äquivalente, wenngleich verschiedene Wege zum selben Ziel.

Schon in der Song-Zeit (960-1276) gab es entsprechende Strömungen, die auf der Erkenntnis beruhten, dass die drei “Religionen” dasselbe Ideal verfolgten. Die Botschaft des Buddha war, dass dem Menschen kein substanzielles Ich oder eine Seele innewohne. Der Terminus dafür lautet auf Sanskrit an-âtman (jap. muga 無我). Das klang verstörend, war aber buddhistisch nur konsequent zu Ende gedacht: sollte es einen unsterblichen âtman („Seele“) geben, würde der Mensch sich daran klammern. Jede Form der Anhaftung würde aber eine endgültige Befreiung aus dem Wiedergeburtenkreislauf unmöglich machen. Daher existiert letztlich nur das Nirvana, die “Leere”, die nicht-duale Essenz des Seins, das Sosein (sanskr. thatâtâ). Nun, von Konfuzius hieß es, dass er von Starrsinn und Egoismus völlig frei war. Letzterer wurde mit einem Zustand des “Nicht-Ich” beschrieben, wobei in Schriften nach den Analekten des Konfuzius die Schreibweise wuwo (jap. muga 無我) üblich wurde – “die Grundkonzeption des chinesischen und japanischen Buddhismus. So war offensichtlich der Begriff ‚Nicht-Ich‘, das Ziel der Anhänger des Zen, in der Mentalität des Verfassers der Analekten präsent und galt als Eigenschaft des Konfuzius. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass das Ziel der Bestrebungen sowohl der Daoisten als auch der Adepten des Chan/Zen (‘nicht auf schriftlichen Zeichen basierend’) wie auch das von Konfuzius im Prinzip ein und dasselbe waren. Von diametral entgegengesetzten Positionen ausgehend – Ablehnung der Kultur und Verschmelzung mit der Kultur bis zum völligen Aufgehen in ihr – kamen die Autoren des Daodejing und der Analekten zu einer ähnlichen Lösung des Problems der Verbindung des Einzelnen mit dem Ganzen.” (Steiner 2018:55-6). Es sei kurz angefügt, dass die Einheit der drei Religionen (jap. auch: sankyô itchi 三教一致) auch in Japan postuliert wurde, wobei mit den drei der Schintoismus, Buddhismus und Konfuzianismus gemeint sind. Dieses zugleich pluralistische wie vereinheitlichende Konzept ist für ein Verständnis der japanischen Religiosität insgesamt von nicht zu unterschätzender Bedeutung. 

Kurze Schulen-Übersicht

Rinzai

Die drei wichtigsten Zen-Schulen in Japan sind: Rinzai, Sôtô und Ôbaku.

Rinzai geht auf den chinesischen Zen-Meister Rinzai Gigen (9. Jh.;  chin. Linji Yixuan) zurück, einen Ikonoklasten, auf den das berühmte Diktum: „Triffst du Buddha unterwegs, töte ihn!“ zurückgehen soll. Linji/Rinzai galt als einer der größten Meister des Zen in China, der Hui-Nengs Lehre weitertrug und seine Schüler gerne mit Schlägen und dem donnernden Ruf Ho (in Japan dann phonetisiert mit: katsu) in die Erleuchtung jagte (mehr zu ihm: Dumoulin 1976:72-77). Rinzai-Zen wurde von Eisai (auch: Yôsai) im Jahre 1191 (1141-1215) nach Japan überbracht. Die heute in Japan aktiven Schulen gehen aber fast alle auf drei spätere Meister und deren Überlieferungslinien zurück: Daiô Kokushi (Nanbo Shômyô 1235-1309), Daitô Kokushi (Shûhô Myôchô 1282-1338) und Kanzan Egen (1277-1360, Gründer des heute stärksten Zweiges, der Myôshin-ji-Schule). In Anleihe an drei Zeichen aus ihren Namen werden ihre Übertragungslinien zusammenfassend als Ôtôkan-Linie bezeichnet. Von entscheidender Bedeutung für die heutige Praxis war Hakuin (1685-1768), der insbesondere die für Rinzai charakteristische Kôan-Übungen systematisiert und kodifiziert hatte. Daneben hatte er aber auch die Wichtigkeit des zazen als zentralem Exerzitium des Zen betont und in einem berühmten und bis heute gerne intonierten Gedicht (“Hakuin Zenji zazen wasan”) besungen. Rinzai ist in 15 Schulen verzweigt und betreut in Japan 5.703 Tempel (3.383 davon: Myôshinji-ha) und zählt offiziell 1.162.608 Anhänger (davon Myôshinji-ha: 340.892; Bunkachô 2007:68-9). Durch die Schriften von D.T. Suzuki ist Zen im Westen vornehmlich theoretisch und in der Rinzai-Spielart bekannt geworden.

Sôtô

Die Sôtô-Schule legt das Hauptgewicht ihrer Praxis auf das “nichts als das rechte Sitzen” (shikantaza) und wurde von Dôgen (1200-1253) aus China nach Japan vermittelt. Dôgen war von 1223-27 in China und erfuhr unter dem Meister T’ien T’ung Ju-ching (jap. Tendô Nyojô) unter der Aufforderung “shinjin datsuraku, datsuraku shinjin!” (“Wegfallen von Körper und Geist”) ein tiefe Erleuchtung. Sein Hauptwerk Shôbô genzô “gilt als eine der tiefgründigsten Schriften der jap. Zen-Literatur und als das hervorragendste Werk der religiösen Literatur Japans.” (Diener 1996:50). Dôgen sah im reinen, hellwachen, objektlosen, all-aufmerksamen Sitzen und Gegenwärtigsein, dem shikantaza, die höchste Form der Zen-Übung. Durch diese Emphase auf “das Zen der schweigenden Erleuchtung” (mokushô zen) wurde seine Schule mit dieser Praxis identifiziert. Für Dôgen Zenji galt: shûshô ichinyo 修証一如 „Übung und Erleuchtung sind eins“ und dies gehört zur Essenz seines Denkens (Dôgen 1977:18). Eine weitere gleichbedeutende Formel lautet: honshô myôshû 本証妙修 „ursprüngliche Verwirklichung, wundersame Übung“!

Dôgen selbst hat die Kôan-Praxis, die unter der Bezeichnung kanna zen (“das Zen des Betrachtens der Worte”) als charakteristisch für Rinzai gilt, nicht abgelehnt. Er hatte sogar eine Kôan-Sammlung mit Kommentar ediert. Allerdings spielen Kôan heute im Sôtô tatsächlich eine geringe Rolle. Obwohl Dôgen die Wichtigkeit der Sitzmediatation betont hatte, spielt in der Praxis der Laien die Einhaltung von Geboten, die Erlangung von geistiger Ruhe durch die Lehren des Gründers und reuige Einsicht zur Bereinigung schlechter Tatfolgen (karma, zange metsuzai) die zentrale Rolle (dazu die Schrift Shushôgi; Heine 2003). Sôtô verfügt in Japan über die meisten Tempel (14.624; Bunkachô 2007:70). Mit etwa 10 Millionen Anhängern ist Sôtô mit Abstand die größte Zen-Schule (Heine 2003:169). Nur wenige der Tempel folgen einer strikten monastischen Disziplin oder haben eine Meditationshalle. Ihre wesentliche Funktion besteht in der Abhaltung von Begräbnisriten und Gedenkfeiern für die Ahnen der in ihnen registrierten Gemeindemitglieder. Der Religionswissenschaftler Ian Reader notiert dazu lapidar: „Die meisten Leute gehen in Japan zu einem Zen-Tempel nicht um zu meditieren, sondern weil jemand in ihrem Haushalt gestorben ist.“ (Reader 1991:83)

In Europa war es Taisen Deshimaru Rôshi (1914-1982), der Sôtô-Zen bekannt machte und verbreitete. 1967 kam er nach Paris. Er gründete u.a. die Association Zen Internationale (AZI), die besonders im frankophonen Raum, aber auch darüber hinaus, die Ausbreitung des Zen in einer praxis-zentrierten Form (zazen) dominierte. Sie unterhält bis heute zahllose Zen-Zentren und bietet Seminare und Meditationsmöglichkeiten an. 

Ôbaku

Die Ôbaku-Schule ist eine Nebenlinie des Rinzai-Zen, die vom chinesischen Mönch Yin-yüan Lung-ch’i (jap. Ingen Ryûki, 1592-1673) 1654 nach seiner Ankunft in Japan gegründet wurde. Heute werden 451 Tempel des Ôbaku-Zweiges gezählt mit rund 350.000 Gemeindemitgliedern (Bunkachô 2007:70-1). Ihr Haupttempel wurde nach dem Kloster benannt, in dem Ingen in China Abt gewesen war: der Manpuku-ji liegt in Uji bei Kyôto und ist auch ein Prachtstück Ming-zeitlicher Tempelarchitektur chinesischen Stils (Bunkachô 2007:13-14, für Details auch unter den belangvollen Stichworten und Namen: Iwano 1999 und Diener 1996).

Die Sanbôkyôdan (seit 2014: Sanbo-Zen International)

Die Sanbôkyôdan ist eine Splittergruppe, die 1954 von Yasutani Hakuun (1885-1973) gegründet wurde. Sein Meister, Harada Daiun (1871-1961) war ein strenger, charismatischer Rôshi, der eine Integration der Lehren des Sôtô und Rinzai angestrebt hatte und der Ansicht war, dass kenshô (“Einsicht in das wahre Wesen”) für jeden, gleich ob Laie oder Mönch, zugänglich und verwirklichbar sei. Diese Ansätze prägten Yasutani’s Weg als Lehrer: er ließ die monastischen Mauern hinter sich und propagierte intensiv die Praxis des zazen für Laien. Sein Dharma-Nachfolger wurde Yamada Kôun (1907-1989). Dieser öffnete seinen Unterricht in Richtung Nicht-Buddhisten: er reiste ausgiebig, regelmäßig auch in die USA und nach Deutschland. Mehr als ein Dutzend christlicher Geistlicher wurde von ihm als Zen-Lehrer autorisiert. Nicht zuletzt das führte dahin, dass “trotz seiner bescheidenen Größe die Sanbôkyôdan einen unverhältnismäßig großen Einfluß auf das Zen im Westen hatte.” (Sharf 1995a:425, darin auch im Detail die obige Genealogie). “Die Sanbôkyôdan besteht darauf, dass ‘wahres Zen’ nichts mehr und nichts weniger ist, als die Erfahrung von kenshô – eine persönliche und tiefgehende Verwirklichung der wesenhaften Nicht-Dualität aller phänomenalen Existenz. Damit sei, behaupten die Sanbôkyôdan-Lehrer, Zen keine ‘Religion’ im herkömmlichen Sinne des Wortes und es sei weder an eine bestimmte kulturelle Form gebunden noch von Schrift und Glauben abhängig.” (Sharf 1995a:427). Sanbôkyôdan verschlankte den textuellen Apparat der kôan-Praxis auf eine simple Rezitation des mu[6] und die ursprünglich monastische, von ethischen und alltagspraktischen Regeln durchtränkte Lebensform auf die einfache Übung des Sitzens. Die Ausrichtung auf eine kenshô-Erfahrung ist zentral, wenn nicht obsessiv. “Was sicherlich neu ist im Zen im Stile von Yasutani-Yamada, ist das Ausmaß, in dem buddhistische Erleuchtung für den Laienkonsum kleinverpackt worden ist. Die Lehre des Buddhismus und Zen – die ausgefeilte Literatur, Philosophie, Liturgie und das Ritual – sind auf eine singuläre, vorübergehende ‘Erfahrung’ reduziert worden, die von jedem/r in einer Spanne von Monaten oder gar Wochen erreicht werden, solange nur rechte Supervision und ausreichend Motivation gegeben sind.” (Sharf 1995a:454). In seiner Betonung der antinomischen, ikonoklastischen und anti-monastischen Seite des Zen und der Emphase auf Praxis, persönlicher Transformation, Gewinnung von Klarheit und psycholgischem und spirituellem Wohlbefinden ist die Sanbôkyôdan in ausgezeichneter Weise “kommensurabel mit den Zielen der ‘New Age Spiritualität’.” (Sharf 2002:152)

Mit ihrer Hervorhebung der “Erfahrung”, die in einer “Wesensschau” kulminiere (kenshô, bei D.T. Suzuki: satori), ihrer De-Kontextualisierung und Entfärbung von religiösem Anstrich und “Universalisierung” als transkonfessioneller Praxis deckt sich die Sanbôkyôdan (fast) völlig mit den Umrissen des Zen-Bildes, das D.T. Suzuki entworfen hat. Seine Herausstreichung der mystischen Seite des Zen hat zu dessen Hybridisierung wohl ebenso viel beigetragen wie die Ausbildung eines “Zen für Christen” innerhalb der Sanbôkyôdan. Neben dem Jesuiten Hugo Makibi Enomiya-Lasalle (1898-1990) erhielt auch der Benediktiner-Pater und eifrige Zen-Publizist Willigis Jäger (1925-2020) die Lehrbefugnis, der auf eine beachtliche Schüler-Zahl im deutschen Sprachraum kommt (Baumann 1995:103). In Japan zählte die Sanbôkyôdan Ende 2006 offiziell 2.628 Gläubige und verfügte über nur 5 Tempel und 10 Übungsstätten (Bunkachô 2007:70-1). Daran gemessen ist sie tatsächlich – wie von Sharf bemerkt -, im Ausland überproportional stark vertreten. Die Sanbôkyôdan (heute: Sanbo-Zen International) hat unzählige Ableger und Aussteiger im Westen, die eigene Linien gründeten, in denen der Name der Mutterorganisation nicht mehr aufscheint.

Die „Verrückte Wolke“ Ikkyû Sôjun (1394-1481)

Die Geschichte des Zen ist voll von schrägen Käuzen und originellen Geistesakrobaten. Einer unter ihnen ragt heraus: Ikkyû.[7] Er verkörpert in Personalunion alle Aspekte des Zen. Er war ein religiöser Virtuose und Genie, ein erleuchteter Narr, aufmüpfiger Würdenträger, Possenreißer, Vagrant und Kulturheld. Schon in der Edo-Zeit kursierten über zweihundert Anekdoten und folkloristische Legenden über ihn. Bis heute ist er in Manga und TV-Serien und damit in der Populärkultur präsent.  

Schon als Knabe wurde er ins Noviziat eines Zen-Tempels gegeben und er studiert eifrig die chinesischen Klassiker und den buddhistischen Kanon. Ein Leben lang wird er ein begnadeter Dichter in diversen poetischen Genres sein und seine Werke sind aufgrund seiner umfassenden Literaturkenntnis von einem unerschöpflichen Anspielsreichtum geprägt. Im Alter von 24 Jahren wird er durch einen mitternächtlichen Krähenschrei in das große Erwachen katapultiert, als er wie gewohnt in einem Boot auf dem See dahintrieb und meditierte. Nach einem kurzen Intermezzo in einem Tempel begann er ein unstetes Wanderleben und erst in hohem Alter sollte er das höchste Amt im Daitokuji bekleiden. Man möge ihn nicht im Tempel suchen, dichtete er, sondern es beim Fischhändler, in der Schenke oder im Bordell versuchen. In seinen Gedichten verspottet er eingebildete Bonzen und den in leeren Routinen erstarrten Tempelbetrieb. Er singt ein Loblied auf die Kurtisanen, von denen tiefe Lebensweisheit zu erfahren sei. Eines seiner ästhetischen Prinzipien war fûryû („Wind und Wasser“), ein aus China stammendes Motiv, das einen ungebundenen, spontanen, zuweilen ausschweifenden Lebensstil beschrieb wie auch eine daoistisch inspirierte Rückkehr zu einem einfachen, natürlichen Leben inmitten der Natur. Ikkyû war in der chinesichen Literatur glänzend bewandert und kannte die Bedeutungsbreite und alle Assoziationen zu fûryû. Es steht auch für Yin und Yang, Frau und Mann und konnte sexuelle Konnotationen annehmen, die Ikkyû genüßlich ausschöpfte. Ein Poem sei angeführt (nach Steiner 2018:168):

„Zehn Jahre Freudenviertel haben mir keine Seligkeit gebracht.

Jetzt lebe ich auf einsamen Bergen und in düsteren Tälern.

Und dreißigtausend ri[8] Wolken trennen mich vom geliebten Ort.

Die hohen Kiefern knarren abstoßend im Wind vor meiner Hütte.“

Ikkyû pinselt ungestüme Kalligraphien, malt Tuschbilder mit Versen, die er gerne mit shiga ippitsu signiert, „Dichtung und Malerei mit einem einzigen Pinsel.“ Er lehrt die Teezeremonie in kleinen Räumen, ähnlich einer Mönchsklause. Auch die Ideale des Nô-Theater werden von ihm inspiriert und die Kunst der Trockengärtnerei. Mit weit über siebzig verliebt er sich in Shin, eine blinde Sängerin, die ihm eine Tochter schenkt. Die Gedichte, die er ihr widmet, sind von herzzerreißender Schönheit und lassen die Vergänglichkeit erklingen wie die Gion-Shôja Glocken, die in der Eröffnung des Heike monogatari ertönen mit der berühmten Stanze shogyô mujô („Alles Phänomenale ist unbeständig“). Auch hier ein Beispiel:

„Die Gäste sind weg, die Musik ist verstummt, kein Laut mehr zu hören.

Wann wird sie aus tiefem Schlummer erwachen?

Ich betrachte ihr Gesicht. Ein Schmetterling umfliegt es.

Ein Glockenschlag. Ist es Mitternacht oder schon Mittag?

                                                                                                          …

Die letzten beiden Zeilen könnten auch als: ‚Ich höre am Mittag die Mitternachtsglocke‘ interpretiert werden und wären dann ein Entlehnung aus dem Hekigan roku [einer berühmten chinesischen Kôan-Sammlung, W.H.]. Damit könnte Ikkyû auf das Krächzen der Krähe um Mitternacht angespielt haben, die seine Erleuchtung ausgelöst hat. Die Betrachtung von Shins Gesicht käme so einer Erleuchtung gleich. Ein Eintags-Schmetterling und eine Glocke, beides Verkörperungen der schnell verfließenden Zeit, schaffen ein Bild der Verflechtung des Zeitlichen und des Ewigen. Später wird dieses Bild oft in Haiku-Gedichten verwendet werden, beispielsweise von Bashô. Und immer schwingt auch der Schmetterling von Zhuangzi mit: das Leben in einem Traum.“ (Steiner 2018:275-6)

Die Strahlkraft des Zen in alle Lebensbereiche hinein und seine minimalistische Ästhetik, die Architektur, Gartenkunst, Theater, Malerei, Dichtung, Teetrinken und mehr durchwirkt hat, ist etwas, was die Leute im Westen heute anzieht und Nachahmungen hervorruft. Es gibt eine Menge Ratgeberliteratur anhand derer man eine Prise Zen in das Alltagsleben, den Garten und die Küche streuen können soll. „Zen“ ist zu einem Marketingartikel und Namensschild für ästhetischen Mehrwert geworden.

Es ist dabei zu bedenken, dass im Falle des Ikkyû, dieser als ordinierter Zen-Mönch in allen feinen Künsten der chinesischen Literati bewandert war und in diesen brilliert hatte. Diese Künste waren gleichermaßen konfuzianisch, daoistisch wie buddhistisch gefärbt – wenn man ihnen überhaupt solche Etikette verleihen will. Dass die gesamte japanische Kultur vom Zen inspiriert und getragen worden sein soll, ist ein ideologisches Konstrukt des frühen 20. Jahrhunderts. Nukariya Kaiten (1867-1934), Hisamatsu Shin’ichi (1889-1980) und D.T. Suzuki (1870-1966) waren Proponenten eines „Zen-Imperialismus“, der keinen Aspekt der japanischen Kultur unberührt ließ. „Mit Suzuki  wird der Common sense Ansatz, der Zen als Produkt der japanischen Kultur ansieht, umgedreht, und die japanische Kultur wird ein facettenreicher Ausdruck eines einzigartigen Phänomens, vielmehr eines metaphysischen Prinzips namens Zen.“ (Faure 1993:66)

„Zen wurde in die westliche Forschung nicht durch die Anstrengungen westlicher Orientalisten eingeführt, sondern vielmehr durch die Aktivitäten eines Elitezirkels von international gesinnten japanischen Intellektuellen und weltenbummelnden Zen Priestern, deren missionarischer Eifer oft ihrer irritierten Faszination mit westlicher Kultur kaum nachstand. Diese japanischen Zen Apologeten tauchten umgekehrt aus dem tiefgreifenden sozialen und politischen Umbruch, der durch die rapide Verwestlichung und Modernisierung Japans der Meiji-Zeit (1868-1912) entstanden war, auf. Angesichts der Herkunft dieser frühen Zen Missionare hätte man erwarten können, dass westliche Buddhismusforscher deren großspurigen Äußerungen mit ziemlicher Vorsicht, wenn nicht Skeptizismus begegnet wären, was aber nur selten der Fall war.“ (Sharf 1995b:108-9) Ich habe mich andernorts kritisch und eingehend mit den Einseitigkeiten des von D.T. Suzuki vermittelten Zen (Herbert 2015) und der Rezeption des Buddhismus im deutschen Sprachraum (Herbert 2012) auseinandergesetzt, weshalb ich mich hier auf eine grobe Skizze beschränken darf.  

Zen auf dem Weg in den Westen

Zen betrat gewissermaßen die Weltbühne im Jahre 1893 auf dem Weltparlament der Religionen in Chicago. In der japanischen Delegation befand sich der Zen Mönch Shaku Sôen (1859-1919), der allerdings nicht zuletzt wegen defizienter Englischkenntnisse nicht allzu viel Aufsehen erregte. 1905 begab er sich aber auf eine „Missionstour“ und hielt Vorträge für Amerikaner und japanische Immigranten. Er war mit westlicher Kultur und dem Christentum leidlich vertraut und zeigte synkretistische Neigungen, die in seiner Erläuterung des Buddhismus verständnisfördernd waren. Von großer Tragweite war, dass er einen seiner japanischen Studenten 1987 nach Amerika schickte. Es handelte sich um D.T. Suzuki, der elf Jahre lang als Assistent von Paul Carus diesem übersetzerische, bibliothekarische und andere Dienste leisten sollte (Seager 1995:158-99).

Am Anfang der Meiji-Zeit gab es in Japan eine Abwendung von einer eher konfuzianisch geprägten Staatsdoktrin und Hinwendung auf die vermeintlich autochthone Religion des Schinto, mit der eine Trennung der schintoistischen Gottheiten und Buddha-Manifestationen (shinbutsu bunri) einherging und eine als religiöse Verfolgung zu kennzeichnende Unterdrückung des Buddhismus (haibutsu kishaku, „den Buddhismus abschaffen und Shakyamuni vernichten“) nach sich zog. Das System der verpflichtenden Registrierung bei buddhistischen Tempeln, das in der Tokugawa-Zeit der bürokratischen Kontrolle der Bevölkerung gedient hatte, wurde abgeschafft (Heine 2003:174). Es wurden gar Tempel gestürmt und buddhistische Artefakte zerstört und Schriften verbrannt. Der Buddhismus galt nicht nur als „Fremdreligion“, sondern als dekadent, korrupt, asozial, geldgierig, abergläubisch und Ähnliches mehr. Das hereinkommende Christentum und charismatische, millenaristische „neue“ Religionen setzten den Buddhismus unter Druck, sich zu reformieren. Eine Linie der Gegensteuerung argumentierte, dass sich der Buddhismus von seinen spirituellen Wurzeln entfernt habe und nun ein neuer, durch die Verfolgung gereinigter Buddhismus auf den Plan trete. Es waren mit westlichem Gedankengut vertraute Intellektuelle, die diese Reformation in Gang brachten. Der Buddhismus wurde nun als universale Weltreligion präsentiert, die kosmopolitisch, sozial engagiert, humanistisch, rational und wissenschaftskompatibel sei. Gleichzeitig stelle er ein „asiatisches Erbe“ dar und habe evolutiv im japanischen Buddhismus seine höchste Form erreicht. Der japanische Buddhismus wurde als die Essenz der Kultur Japans hypostasiert. Damit konnte in Anbiederung an den aufkommenden (Ultra-)Nationalismus eine moralische und spirituelle Superiorität Japans beansprucht werden. Der inhärente Widerspruch zwischen Nativismus und Universalismus sollte vor allem den Zen-Buddhismus weiterhin begleiten.

Zen und die Samurai

Für Nukariya Kaiten (1889-1980), einen Vertreter der Sôtô-Schule und Freund Suzuki‘s, fand sich reiner Zen nur in Japan und fand seinen Ausdruck im Ehrenkodex der Krieger (bushidô). Zen war für ihn die ideale Doktrin für ein martialisches Japan. Nach Hisamatsu Shin’ichi (1889-1980) war die gesamte japanische Kultur und deren feinen Künste vom Zen durchdrungen, ja geradezu die Manifestation des Zen-Geistes. Letztlich könnten nur Japaner mit ihrer spezifischen Sensibilität Zen wirklich begreifen. In einem Dialog mit Suzuki kommen beide zum Schluss, dass kein Westler (bislang) Zen wirklich erfasst habe, ja dafür keine Hoffnung bestünde (Sharf 1995:130)! 1938 erschien auf Englisch das Buch „Zen und die Kultur Japans“, in dem Suzuki die Positionen der beiden breit ausgearbeitet und ausgeweitet hatte. Darin finden sich Kapitel über „Zen und die Samurai“ und „Zen in der Schwertfechtkunst“. Suzuki bezeichnet Zen als „Religion des Willens“ und es sei von Anbeginn seiner Geschichte in Japan eng mit dem Leben der Samurai verbunden gewesen. Es passe zum Kriegergeist mit seiner frugalen Disziplin und seiner Direktheit, seinen selbstverleugnerischen, asketischen und stoischen Zügen (Suzuki 2005:60). Zen stand unter der Patronage des militaristischen Hôjô-Regimes (1203-1333) und Schogunen aus dem später regierenden Ashikaga-Clan. Suzuki preist das Hagakure, einen todverschmähenden Klassiker des Bushidô aus dem Jahre 1716, in dem betont wird, dass ein Samurai bereit sei, jederzeit sein Leben hinzugeben. Beim Thema „Zen und Schwert“ führt Suzuki den Zen-Mönch Takuan (1573-1645) an und dessen Ausführungen über mushin („Nicht-Geist“) in der Kunst des Schwertkampfes, eines Geistes, der an nichts haftet und über allem steht. Hier erklärt Suzuki, dass dieses mushin dem „Unbewusstsein“ entspräche (Suzuki 2005:112), ein für die Rezeption im Westen folgenreicher Kategorienfehler.[9] Beim Thema „Zen und Krieg“ werde ich auf diese Passagen zurückkommen.

Die reine Erfahrung

Ein dritter wichtiger Einfluss kam von seiten des Philosophen Nishida Kitarô (1870-1945), dessen lebenslanges Denken sich um die „reine Erfahrung“ und das „absolute Nichts“ drehte. Westliche Denker wie Schleiermacher, Rudolf Otto und William James, die den Erfahrungscharakter des Religiösen betonten, waren wiederum Stichwortgeber für Nishida’s Suche. Beim späteren Suzuki findet sich dann eine geradezu obsessive Betonung der Erleuchtungserfahrung (satori), die nun zum Ein und Alles des Zen mutierte.

Über Rudolf Otto (und sicherlich Carus, dessen geistige Einwirkung Suzuki nie wirklich gewürdigt hat) wurde Meister Eckhart zurecht als Geistesverwandter des Zen entdeckt. Sowohl Nishida wie Suzuki neigten dazu, die christliche Mystik als inferiore Form des Mahâyâna-Buddhismus zu betrachten und stark in essentialistischen und simplizistischen Dichotomien wie östlicher und westlicher Logik zu denken (Faure 1993:84).

Zugleich wurde Zen aber als universale mystische Erfahrung gedeutet, als kontemplative Methode, die nicht konfessionell gebunden war, anders gewendet, den essentiellen Kern jeder Religion bildete. „Zen, wie es Suzuki vorgestellt hat, ist die reine Erfahrung einer unvermittelten Begegnung mit der Realität und ein spontanes Leben in Harmonie mit dieser Wirklichkeit. Daher ist es kein Eigentum des Buddhismus. Die Essenz des Zen war für Suzuki die Mystik, die, wie er glaubte, auch andere religiöse Traditionen gleichermaßen gemein haben. Im Herzen der enorm vielfältigen Formen historischer Religionen, so sein Anspruch, lag eine gemeinsame, universale mystische Erfahrung – eine Erfahrung, die alles kulturelle Beiwerk transzendiert.“ (McMahan 2002:221-2). Zen wurde im Westen als ahistorische Essenz der Spiritualität propagiert und nicht als historische religiöse Tradition mit all ihren Ritualen, Liturgien, Vorschriften, monastischer Disziplin, ethischen Direktiven etc. .

Die fatale Konsequenz aus dieser De-Kontextualisierung und Reduktion zieht Suzuki selbst. Er insistiert darauf, dass Zen keine spezielle Doktrin oder Philosophie mit einem Bündel an Konzepten oder intellektuellen Formeln besitze. Es ginge ihm um die Befreiung von Leben und Tod mithilfe ihm eigener Modi eines intuitiven Verstehens. Daher sei der Zen „extrem flexibel darin, sich an jegliche Philosophie und moralische Doktrin anzupassen, solange seine intuitiven Lehren nicht gestört werden. Man kann es an Anarchismus oder Faschismus, Kommunismus oder Demokratie, Atheismus oder Idealismus oder jeden anderen politischen oder ökonomischen Dogmatismus angebunden finden.“ (Suzuki 2005:64). Die Anbindung an die herrschende Kriegsideologie ist im Japan des Zweiten Weltkrieges gründlich geschehen und nicht zuletzt von Suzuki selbst mitgetragen worden. Mit Rückgriff auf obiges Zitat hat schon Anfang der 1960er Jahre Arthur Koestler den „Pop-Zen“ des D.T. Suzuki des moralisch-ethischen Relativismus, ja A-Moralismus bezichtigt (Fader 1980:53). Dass Suzuki in diesem Kontext auf den „revolutionären Geist“ des Zen verweist, der Freiheit garantiere und auch Zurückweisung von Autorität und Ideologie anstachle, rettet seine Position nicht. Dieser „revolutionäre Geist“ hat sich – wie wir seit Victoria (2013) wissen – in Kriegszeiten kaum geregt. 

Zen und Krieg

Im Westen galt der Buddhismus lange als die pazifistische Religion par excellence, in deren Namen nie Krieg geführt worden sei. Da ist ein Mythos. Nicht nur am Beispiel Japans lässt sich das Gegenteil zeigen. Dort haben im Mittelalter bewaffnete, kriegerische Mönche (sôhei) in klosterinternen Auseinandersetzungen (z.B. Abtnachfolge) und Kämpfen um die Vorherrschaft unter Klöstern sowie für säkulare Ziele wie Ressourcen, Ausdehnung und Verteidigung ihrer Latifundien, Parteinahme für Kriegeradelfraktionen und Teilnahme an deren Schlachten eine militärisch beachtliche Rolle gespielt. Wiederholte Edikte, die den Mönchen das Waffentragen vorbot, sprechen dafür, wie verbreitet das Kriegermönchtum war. Die Mönchselite stammte häufig aus dem Schwertadel und hatte damit personelle und soziale Verflechtungen, die auch nach dem Klostereintritt weiter im Spiel blieben (Details in Adolphson 2007).

Selbst der Begründer des Zen in China, Bodhidharma, gilt in populären Erzählungen als der Erfinder einer Faustkampfmethode. Die Mönche des Shaolin-Klosters, in dem er wirkte, waren berühmt für ihre Stockfechtkunst und wurden im Mittelalter gar gegen die Piraterie (u.a. japanische Seeräuber, die wakô)  eingesetzt (ausführlich Herbert 2019).    

Erschreckend ist, welche Rolle die (Zen-)Buddhisten in der Propagierung eines „Kriegerethos“ (bushidô) und der ideellen Unterstützung von Kriegen gespielt haben. Ich gehe darauf ausführlich ein, um in einer Art Zuspitzung zeigen zu können, was aus Zen wird, wenn es als pure Psychotechnik in Gebrauch genommen wird. Vor allen anderen ist hier wieder Daisetz Teitarô Suzuki (1870-1966) zu nennen, der den Zen-Buddhismus im Westen bekannt und populär gemacht hatte. Schon sein Lehrer Shaku Sôen (1860-1919) lehrte, man möge dem Tode ohne Angst ins Auge sehen. Er ging 1904 im Russisch-Japanischen Krieg selbst als buddhistischer Geistlicher an die Front und predigte Selbstaufopferung und Dienst an Staat und Kaiser. Bushidô, so weiter, sei durch den Zen erstarkt und diese Stärke des Zen könne in militärische Stärke umgemünzt werden (Victoria 2006:99). Suzuki funktionierte Zen zu einer Waffe und zu einem veritablen Todeskult um (Victoria 2013).

Für Suzuki war bushidô ein Vehikel zur Propagierung des Zen und er sah in ihm dessen spirituelle Grundlage. Schon 1906 erklärte er: „Die Lebensanschauung (so im Original!) des Bushidô ist nichts mehr und nichts weniger als die des Zen.“ (Zitiert in Victoria 2006:105). Und im Zen gehe es vor allem darum, „den Tod zu meistern“(Victoria 2006:106).  Und auch das Töten! Wenn jemand dazu gezwungen ist, das Schwert zu erheben, so schreibt Suzuki: „… es ist in Wirklichkeit nicht er, sondern das Schwert, das den Tötungsakt ausführt. Er hat keinerlei Verlangen danach, irgendjemandem Schaden zuzufügen, aber der Feind taucht auf und macht sich zum Opfer. Es ist so, als ob das Schwert automatisch seine Funktion der Gerechtigkeit erfülle, die die Funktion des Mitleides ist. … Wenn vom Schwert erwartet wird, dass es diese Art von Rolle im menschlichen Leben spielen soll, dann ist es keine Waffe der Selbstverteidigung oder ein Instrument zum Töten mehr, und der Schwertführende verwandelt sich in einen Künstler erster Klasse, der damit befasst ist, ein Werk echter Originalität zu schaffen.“ (Zitat aus: Victoria 2006:110). Der Killer als Künstler! Das lässt sich natürlich schreiben, wenn man als Zenmeister der Ansicht ist, dass „Leben und Tod gleich gültig (= gleichgültig)“ sei.[10] Todesverachtung ist Lebensverachtung!

Suzuki ist nicht der einzige Buddhist, der mit einer derart verqueren Logik das Töten und militärisches Handeln legitimiert, wie Brian Victoria in seinem Buch mit erschütterndem Detail vorführt. Die höchste transzendente Wirklichkeit jenseits jeglicher Dualität wird im Buddhismus mit „Leere“ (sinojap. = 空) umschrieben. Der Mensch hat kein permanentes Selbst, daher auch die Rede von „Selbstlosigkeit“ im Sinne von Bereitschaft zur Selbstaufopferung im bushidô. Wenn ein Krieger in einem Zustand der inneren „Leere“, Ego-Freiheit, Ich-Losigkeit und totalem Detachement jemanden umbringt, dann ist es gar nicht „er“, der mordet, ja selbst das Opfer ist „leer“, also nicht-existent. Diese Denkfigur findet sich schon bei Takuan Sôhô (1573-1645), einem von bushidô-Liebhabern geschätzten Zen-Mönch. Noch einmal D.T. Suzuki: „… in der Meisterung der Schwertfechtkunst wird die höchste Perfektion erlangt, wenn Ihr Geist nicht mehr dadurch gequält wird, wie nun der Gegner niedergestreckt werden soll und dennoch zu wissen, wie das Schwert in der wirksamsten Weise einzusetzen ist, wenn Sie vor ihm stehen. Sie strecken ihn einfach nieder, vergessend, dass Sie ein Schwert in der Hand haben und jemand Ihnen gegenübersteht. Es gibt hier keine Idee von Persönlichkeit mehr – alles ist leer, der Gegner; Sie selbst, das zuschlagende Schwert, die schwertführenden Arme, nicht nur das, selbst die Idee der Leere ist abgeworfen worden. Aus dieser absoluten Leere ergibt sich die höchst wundervolle Entfaltung von Aktivitäten.“ (Suzuki 2005:132) 

Dies ist eine groteske Verdrehung der Lehre des Buddha, mit der ihr höchstes Gebot ausgehebelt wird, nämlich nach Möglichkeit keinem Lebewesen je Leid zuzufügen, also Gewaltlosigkeit (skr. ahimsâ) und damit verbunden ein rigoroses Tötungsverbot. Es gab noch andere abstruse Denkfiguren, wie etwa, dass durch das Töten des Feindes und der im Weg stehenden Nichtgläubigen (jap. jama gedô 邪魔外道 = Häretiker, Nicht-Buddhist) dieser in den Kreislauf der Wiedergeburten zurückgeschickt wird, sodass er nun mit einer besseren Geburt rechnen dürfe, weshalb es sich beim Tötungsakt um einen Akt des Mitleides handle. Zudem würde ein „Erleuchteter“, der den Zustand der Ich-Losigkeit und „Leere“ verwirklicht habe, (negatives) Karma nicht mehr anhäufen. Der Zen-Buddhismus hat im 2. WK den „imperialen bushidô[11] mitgetragen und mit einer dubiosen Legitimität ausgestattet.

Brian Victoria verweist gewissermaßen in einer Konklusion auf die ethischen Implikationen einer genuinen Meditationspraxis. Takuan wirft er vor, eines der zentralen Gebote des Buddhismus zu missachten, nämlich Lebewesen kein Leid zuzufügen und sie nicht zu töten. Er notiert als Konklusion: „Erfahrene Zen-Ausübende wissen, dass der ‚Nicht-Geist‘ des Zen in der Tat existiert. … Aber sie wissen auch, oder sollten zumindest wissen, dass dies in seiner ursprünglichen buddhistischen Formulierung absolut nichts damit zu tun hat, anderen Schaden zuzufügen. Im Gegenteil, authentisches buddhistisches Erwachen zeichnet sich durch eine Verbindung von Weisheit und Mitgefühl aus – sich mit anderen zu identifizieren und danach zu streben Leiden in jeglicher Form zu eliminieren.“ (Victoria 2006:230-1). Mitleid ohne Weisheit ist Duselei, Weisheit ohne Empathie ist kalt.

Der Philosoph Slavoj Žižek meint, man mache es sich zu leicht, „wenn man behauptet, daß diese militaristische Version des Zen eine Pervertierung seiner wahren Botschaft sei, oder aber in ihr die ominöse ‚Wahrheit‘ des Zen sieht. Die Wahrheit ist wesentlich schwerer zu ertragen. Was, wenn Zen im Kern zwiespältig oder viemehr vollkommen gleichgültig gegenüber dieser Alternative ist? Was, wenn – ein schrecklicher Gedanke – die Zen-Meditationstechnik letztlich nichts anderes wäre als eben dies – eine spirituelle Technik, ein in ethischer Hinsicht neutrales Instrument, das zu unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Zwecken eingesetzt werden kann, zu den friedlichsten bis zu den destruktivsten?“ (Žižek 2003:34-5)

Die Antwort darauf ist, dass Zen dazu gemacht wurde, nicht nur im Krieg, sondern auch im Nachkriegsjapan in Zen-Trainings für Manager und Firmenvorstände, um die wirtschaftliche Prosperität noch weiter voranzutreiben. Jede Indienstnahme – und dies heißt auch bezeichnenderweise „Instrumentalisierung“ – des Zen für irgendwelche säkulare Ziele und Zwecke verkürzt Zen auf einen geistigen Kniff oder – wie man heute womöglich sagen würde – einen „Skill“, der gewinnbringend eingebracht werden kann. Auf dem Weg in den Westen wurde das Zen immer stärker verschlankt und so weit filtriert, bis kein religiöses Aroma mehr ruchbar blieb.

Zen-Rezeption und Reduktion im Westen   

Das Interesse am Buddhismus und diesbezügliches Wissen blieben lange auf Intellektuelle, Religionswissenschaftler, Künstler und Asienfahrer beschränkt. Vorerst galt die Erschließung des „Urbuddhismus“ (Theravâda), seiner ältesten Formen und Schriften (Pali-Kanon) als vorrangig, da man glaubte, hier die reinste Ausprägung der Lehre zu finden. Dies ging im 19. Jh. parallel mit der historischen Jesu-Forschung und der historisch-kritischen Exegese der Bibel. Der Zen-Buddhismus ist ein Nachzügler in der Buddhismus-Rezeption und wurde erst in den 1960er Jahren „populär“. Der Buddhismus-Historiker nennt die Rezeptionsphase in den Jahren 1964-1977, die des „Meditations-Buddhismus“. Die Praxis rückt in den Vordergrund. Es ist die Zeit gesellschaftlicher Umbrüche, der Studentenrevolution, Friedensbewegung (gegen den Vietnam-Krieg), der Hippies und psychedelischer Experimente mit Drogen aller Art, der Suche nach bewusstseinserweiternden Erlebnissen (u.a. durch Meditation), einem Boom an neuen (körperorientierten) Psychotherapien, der sexuellen Revolution und der Herausbildung einer neuen Jugendkultur, Abkehr von altbürgerlichen Werten und herkömmlichen Religionen und vielem mehr. Publikationen und Lehrangebote in Sachen Zen nahmen stark zu und wirkten weit über die Alternativkultur hinaus bis in die gebildeten Mittelschichten hinein. Anfang der 1970er Jahre sollen in Deutschland schon um die 20.000 Leute täglich im Stile des Zen meditiert haben (Baumann 1995:85).

Den unbestritten größten Einfluss auf die Verbreitung des Zen übten die Schriften von D.T. Suzuki aus. Es folgten westliche Autoren wie Karlfried Graf-Dürckheim, Alan Watts, Gary Snyder und die Vertreter eines „christlichen“ Zen Heinrich Dumoulin und Hugo Enomiya-Lasalle. Der erstmals 1948 erschienene Zen-Klassiker von Eugen Herrigel „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ erfuhr eine Renaissance und gehört zu den Best- und Longsellern zum Thema Zen. Dasselbe gilt von dem, womöglich in Anspielung auf diesen Titel 1974 erschienenen Buch „Zen in the Art of Motorcycle Maintenance. An Inquiry into Values/dt. 1976: Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten: ein Versuch über Werte“ von Robert Pirsig. Zen spielt darin eine Nebenrolle. Pirsig war Philosoph und auf der Suche nach einer Lösung der dilemmatischen Oppositionen, die mit der platonischen Philosophie aufgetan wurden und das westliche Denken prägten: auf der einen Seite Subjektivität, Emotion, Intuition, Romantik, Fantasie, Rhetorik, Metaphysik und auf der anderen Objektivität, Rationalität, Analyse, Technik, Logik und Empirie. Die Trennung in Subjekt und Objekt war für ihn ein Konstrukt, eine metaphysische Konvention, die unser Denken im Westen verhext hat. Zen stand für eine direkte Erfahrung, bei der diese Spaltung aufgehoben wurde, in der es letztlich kein Objekt mehr gab. Über die Konzeption einer fluiden Qualität versuchte Pirsig die oben angeführten Gegenpole zusammenzuführen. Das Werk besteht weitgehend aus teilweise aporetischen Dialogen. Das ganze Buch wirkt wie ein gigantisches Kôan. Mit ihm wurde aber der Reigen von Buchtiteln im Stile des „Zen in der Kunst …“ etc. eröffnet.

Das hat aber noch einen anderen Hintergrund: die Betonung wie wichtig der Alltag im Zen sei und dass praktisch jede Art von Tätigkeit zu einer geistigen (Zen)Übung werden kann. „Schlussendlich meint Zen, dass in erster Linie der Alltag in allem ausschlaggebend ist.“(Genyû 2003:153). Dies konstatiert der Zen-Mönch und Literat Genyû Sôkyû und illustriert dies mit klassischen Vier-Zeichen-Mottos wie 行住坐臥 (gyôjûzaga) und 運水搬菜 (unsuihansai). Letzteres bedeutet „Wasser holen und Brennholz tragen“ und deutet darauf hin, dass sich in der alltäglichen Arbeit der Zen-Geist oder die „Erleuchtung“ bewährt und manifestiert. Gyôjûzaga umfasst alle Lebenslagen (die Zeichen stehen für: Aktion/Tätigkeit, Verweilen/Stehen, Sitzen und Liegen) und hat die Bedeutung, dass jede kleinste Bewegung, Handlung und Nicht-Handlung vom Geiste des Zen durchdrungen werden kann. Dann führt Genyû das eindrückliche Bonmot an: „Meditation inmitten des Tätigseins ist der Meditation im Sitzen unendlich überlegen.“ 動中 の工夫、静中に勝ること百千億倍 Dôchû no kufû, jôchû ni masaru koto hyakusenokubai.“ Dieser Spruch stammt vom schon mehrfach erwähnten Zen-Mönch Hakuin Ekaku und er verewigte ihn in einer kühnen Kalligraphie, die er drei Tage vor seinem Verscheiden gepinselt hatte. Das chû (“inmitten“, jap. Lesung : naka 中) wird durch dicke Striche hervorgehoben und durch die Elongation der Linie in der Mitte des Zeichens (Abb. in Stevens 1999:100). Das Wasser schöpfen und Brennholz sammeln wird auch von D.T. Suzuki angeführt, sowie der bekannte Ausspruch: „Wenn ich hungrig bin, esse ich, wenn ich müde bin, schlafe ich“ (Suzuki 1980:115), als Antwort auf die Frage an den Lehrer, wie er sich in der Wahrheit übe. Er wird auch sonst nicht müde, die Alltäglichkeit des Zen zu betonen: „… Zen enthüllt sein Wesen im völlig unbedeutenden und ereignislosen Leben des gewöhnlichen Mannes von der Straße, es erfaßt die Tatsache des Lebens inmitten des Lebens, wie es gelebt wird.“ (Suzuki 1980:60). „Die Wahrheit und Macht des Zen besteht recht eigentlich in seiner Schlichtheit, Geradheit und umittelbar praktischen Art.“ (Suzuki 1980:118).

Von dorther konnte von Suzuki auch in Anspruch genommen werden, dass die gesamte japanische Kunst und Kultur vom Zen durchtränkt sei. Dies hatte er vor allem in der 1938 erschienenen Schrift „Zen Buddhism and its Influence on Japanese Culture“ (dt. Zen und die Kultur Japans) ausgeführt. „Ungleichgewichtung, Asymmetrie, die ‚Eine-Ecke‘, Armut, Vereinfachung, sabi oder wabi[12], Alleinstehen und andere denkverwandte Ideen machen die auffallendsten charaketeristischen Züge der japanischen Künste und Kultur aus – alle diese gehen von einer zentralen Wahrnehmung von Wahrheit im Zen aus, nämlich vom das Eine im Vielen, das Viele im Einen‘.“ (Suzuki 2005:38).

Zen und Alles und Nichts

Die Betonung des Alltags und die Auswirkung auf Kunst und Kultur führte dazu, dass im Westen Zen mit allem und nichts in Verbindung gebracht wurde. Wenn man sich auch nur auf eine kursorische Suche im Internet mit dem Begriff „Zen“ macht, stößt man nicht nur auf eine Myriade von Eintragungen, sondern ein Sammelsurium an Verknüpfungen und kommerziellen Tand. Sucht man z.B. auf amazon Bücher, in deren Titel „Zen“ vorkommt, stößt man auf Kombinationen, die staunen lassen. Ich nenne nur die Stichwörter, die genauen Titel finden Sie schnell und sie alle zu nennen, würde hier zu viel Platz einnehmen. Also Zen taucht auf in Verbindung mit Motorrad warten, Mandala ausmalen, Abreißkalender, Katzenkalender, Glücklichsein, Mindfulness für Kinder, Weisheit für Ängstliche, Therapie, Minigärten, einfach leben, Selbstheilung, Qigong, Kampfkünste, Sex, Tiere, Schreiben, Kreativität, Management, Steve Jobs, Künstliche Intelligenz, Bonsai,  Hundeliebhaber, Golf, Makrobiotik, Counseling, Kunst der Präsentation, Anti-Ageing, Vogelbeobachtung, Fotografieren, minimalistisch leben, Zen-Power für Frauen und vielem mehr. Den Vogel schießt in meinen Augen eine Google-App ab, die sich „Zen. Peaceful shopping, mindful money“ nennt. Hier ist Zen endgültig zum puren Marketingetikett verkommen. Bezeichnend auch die Assoziation mit „mindful“, das zunehmend im Tandem mit Zen auftritt. Hier trifft die folgende Diagnose des Philosophen Žižek zweifelsohne zu. Ein “Phänomen der Popkultur” sei der westliche Buddhismus, der “uns inneren Abstand zum und Gleichgültigkeit gegenüber dem rasenden Tempo des ökonomischen Wettbewerbs predigt, für uns wohl die effizienteste Methode, an der Dynamik des Kapitalismus teilzuhaben und dabei den Anschein geistigen Wohlbefindens zu wahren – kurzum die paradigmatische Ideologie des Spätkapitalismus.” (Žižek 2003:29). Dieser als „westlich“ apostrophierte Buddhismus ist hingegen die Appropriation einzelner (praktischer) Elemente zu Zwecken wie Stressreduktion, Funktionstüchtigkeit oder Wellness und damit eine instrumentalisierte und rudimentäre Form des „Buddhismus“. Dieser „westliche Buddhismus“ ist damit nicht (nur) instrumentelle „Ideologie“, sondern das Produkt spätkapitalistischen Denkens.

Achtsamkeitspraxis/Mindfulness

Eine analoge Karriere wie das Zen machte das Training der Achtsamkeit, das auch im (Neu)Deutschen gerne mit Mindfulness benannt wird. Mindfulness/Achtsamkeit ist eigentlich die Übersetzung des Pali-Begriffes sati, womit eine spezifische Geistesübung bezeichnet wird und die auf die siebte Stufe des achtfachen Weges des Buddha zurückgeht (rechte Achtsamkeit/Wachheit/Bewusstheit). In der „Lehrrede über die Erweckung der Achtsamkeit“ (Pâli: satipatthâna-sutta) wird erläutert, wie die Achtsamkeit auf den Körper, die Empfindungen, den Geist und sonstige Objekte gelenkt wird. „Der Buddha hat ein umfassendes System der Meditation nicht angestrebt, weil jede Tätigkeit des täglichen Lebens, jede Regung und jeder Gegenstand zum Thema einer Konzentrationsübung gemacht werden kann.“ (Schumann 2008:107). Aus dem Pâli-Kanon lassen sich dennoch verschiedene Meditationsweisen destillieren und klassifizieren: die Achtsamkeitsübungen (satipatthâna), Erkenntnis- und Bewusstseinsmachungsmeditationen (vipassanâ)[13], die Beruhigungsmeditationen oder Versenkungen (samatha) und die vier Ausstrahlungen (brahmavihâra). Letzere sind nach außen gerichtet und dabei werden die vier großen Tugenden oder positiven, heilsamen Gefühle in die Welt gesandt: Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut.[14]

Zen gehört eher zur Praxis der Geistesruhe (samatha) während die Achtsamkeitsübungen (vipassanâ als Methode und satipatthâna als Weg und Ziel) die vom Buddha genuin entdeckten und entwickelten Formen der Einsicht zur Befreiung vom Leiden darstellen. Beide Weisen sind komplementär und ergänzen sich. Vipassanâ ist in einigen Traditionen verlorengegangen oder durch andere Praktiken ersetzt worden. Es erlebte im 19. Jh. eine Renaissance in Ländern des ältesten Theravâda-Buddhismus und ist nun im Begriffe zu einer ganzen Achtsamkeits-Industrie im Westen zu mutieren (dazu ausführlich Litsch 2020).

Das Satipatthâna-sutta privilegiert die Achtsamkeit als Weg zur Erlösung und wird daher in den Mindfulness-Kreisen sehr geschätzt und ist im (ursprünglichen) Theravâda-Buddhismus eine zentrale Referenz und so auch in den Bewegungen, die eine Neubelebung der darin beschriebenen Meditationsmethoden anstrebten. Bei der Vermittlung in den Westen geschah genau dasselbe wie beim Zen: eine völlige De-Kontextualisierung und Instrumentalisierung. Jeglicher religiöser Anstrich wurde getilgt und die Achtsamkeit wurde zu einem nackten Werkzeug, um Wohlbefinden, Alltagstüchtigkeit, Glück oder Leistungssteigerung zu erlangen. Für den Buddha war Meditation weder Selbstzweck noch Medium zu irgendeiner Kompetenzsteigerung, sondern ein Hilfsmittel zur Erlösung und Erlangung von Einsicht, zur Verwirklichung des Heilsweges und der Tilgung von Gier, Hass und Wahn (cf. Schumacher 2008:105).

Die „Eindimensionalisierung“ der Achtsamkeit auf eine Psychotechnik annulliert ihren ontologischen, ethischen und soteriologischen Kontext, in den sie in der buddhistischen Praxis eingebettet ist. Ohne diesen wird sie lediglich zu einem Instrument, das beliebig für jeden Zweck gebraucht und missbraucht werden kann.

„Buddhas Begriff für Meditation ist auch bhâvanâ, was ‚Kultivierung‘ heißt. Satipatthâna, Achtsamkeitspraxis ist Kultivierung des Menschen, vor allem seines Bewusstseins. Für ihn ist dieser Weg nicht zu trennen von der Kultivierung von Ethik (sila), von Gewaltfreiheit (ahimsa), von Mitgefühl (karuna). … im Mittelpunkt der Lehre und Praxis des Budha steht das Überwinden und Loslassen der ‚Ichanhaftung‘ und ‚Ichverblendung‘. … Die Lehre, Praxis und Erfahrung der wechselseitigen Abhängigkeit und untrennbaren Verbundenheit aller Wesen bildet die Grundlage der buddhistischen Ethik (sila). Diese besteht in einem einzigen Prinzip, nämlich im ‚Nichtverletzen aller empfindsamen Wesen‘ (ahimsa). Der Weg dies zu erlernen, einzuüben und auszuüben ist Achtsamkeit (sati) und Wissensklarheit.

Die Reduktion der von Buddha gelehrten Satipatthâna-Praxis auf Stressminderung wie ihre Umdeutung auf Selbstoptimierung als gesteigerte Anpassung an die Bedürfnisse der beschleunigten Kapitalverwertung wird mit der Erklärung legitimiert, dass in einer zeitgemäßen Achtsamkeits-Praxis alles ‚Religiöse‘ wegfallen müsse, weil das unangebracht, unnötig und missionierend sei. … Der Achtsamkeitspraxis des Buddha wird damit das Entscheidende, nämlich die zum Erwachen (bodhi) und zur Befreiung (vimutti) führende, kritische und transformierende Einsicht genommen.“ (Litsch 2020: 6, 10, 11, 13, 14).

Die Universalisierung der Achtsamkeit

Jon Kabat-Zinn, ein Molekularbiologe und emeritierter Professor der University of Massachusetts hat die Achtsamkeitspraxis so weit popularisiert, dass sie vorerst in klinischen Settings und dann in Krankenhäusern (Schmerztherapie), Schulen, Gefängnissen, im Silicon Valley bis hin zum Militär Einzug gefunden hat. Sein Mindful-Based Stress Reduction Program (MBSR) war das Flaggschiff seiner Mission, die immer auch von Forschung und Publikationen begleitet war. Wer will kann per App Achtsamkeit praktizieren (https://jonkabat-zinn.com).  Kabat-Zinn begann seine geistige Schulung mit Zen und komplementierte sie mit vipassanâ-Studien und Yoga. Er schreibt: „Die systematische Schulung der Achtsamkeit ist das Herzstück buddhistischer Meditation, die seit zweitausend Jahren nichts von ihrer Kraft verloren hat und in vielen Ländern Asiens keineswegs nur in den Klöstern gepflegt wird. … viele Zen- und andere Meditationsmeister haben den Westen besucht und hier gelehrt.

Obwohl die Achtsamkeitsmeditation vor allem im Rahmen des Buddhismus gelehrt und praktiziert wird, ist ihre Essenz doch von universeller Gültigkeit. Achtsamkeit bedeutet im wesentlichen, auf eine bestimmte Art und Weise aufmerksam zu sein. Es ist eine Methode, mit der man tief ins eigene Innere schaut, um sich selbst und die Art unseres Bestehens zu erforschen. Es ist eine Methode, die auch außerhalb des buddhistischen Kontextes angewendet werden kann, weswegen wir sie in der Streßklinik unterrichten. Die Übung der Achtsamkeit ist immer ein äußerst wirksames Mittel zur Selbsterforschung und Heilung. Ihre besondere Kraft liegt ja gerade darin, daß sie unabhängig von Glaubenssystemen und Ideologien funktioniert.“ (Kabat-Zinn 2011:27-8). Eine analoge Aussage kennen wir schon von D.T. Suzuki. Die Mindfulness des Kabat-Zinn wurde auch vom U.S. Militär zur Optimierung seiner Fähigkeiten auf dem Schlachtfeld als Mindfulness-based Mind Fitness Training (MMFT oder M-fit) ins Ausbildungsprogramm aufgenommen. Mit Achtsamkeit Drohnen zu steuern oder den Abzug am Gewehr zu drücken, hat mit Buddhismus nichts zu schaffen.

Analoge Bedenken wie Brian Victoria (Autor des Buches „Zen and War“) äußert der Dharma-Lehrer Ronald Purser: “… nach meinem Verständnis ist Achtsamkeit (im Original: mindfulness) mehr als schlicht dem gegenwärtigen Augenblick seine Aufmerksamkeit zu widmen. Achtsamkeitspraxis ist in der buddhistischen Tradition in einen ethischen und soteriologischen Rahmen eingebettet, der das grundsätzliche Verbot einschließt, absichtlich ein lebendes Wesen zu töten. Diese ethische Barriere gegen das Töten kann auf dem gesamten buddhistischen Weg gefunden werden, wie etwa bei der rechten Tätigkeit, der ersten der zehn unheilsamen Handlungen oder in den fünf Geboten – sowie auch in der Verpflichtung zur Gewaltlosigkeit, dem Kein-Leid-Zufügen und dem Wunsch nach Wohlergehen für alle fühlenden Wesen.“[15]

Ein weiterer bekannter Akteur in der Verbreitung des Achtsamkeitstrainings war der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh (1926-2022). Er trat mit 17 als Novize in ein Zen-Kloster ein und studierte vorerst unter einem Rinzai-Meister (King 1996:322). Er wurde eine Galionsfigur des engagierten Buddhismus, gründete einen eigenen Orden, eine buddhistische Universität und eine weltweite Gemeinschaft (https://plumvillage.org), schrieb Gedichte und setzte sich für eine Ende des Vietnamkrieges ein. Er war maßgeblich daran beteiligt, die Praxis der Achtsamkeit (mindfulness) populär zu machen. Mindfulness übertrifft heute die Sitzmeditation des zazen als Meditationspraxis an Beliebtheit unter westlichen Praktizierenden. In der obigen Homepage finden sich sogar eigene Apps, die einen zur Achtsamkeit aufrufen und anleiten. Zen und Mindfulness haben bei ihm eine Allianz gefunden, die im allgemeinen Verständnis dazu führte, dass die beiden heute nahezu unterscheidungslos in einem Atemzug genannt werden.

Ist Zen eine Religion?

Ist Zen eine Religion? Ich bin ein agnostischer Religionswissenschaftler, der zu allen organisierten Religionen Äquidistanz, eine Art Sicherheitsabstand hält. Allerdings bin ich im Gegensatz zu Max Webers berühmtem Diktum durchaus religiös musikalisch und experimentierfreudig. In Kôbe trat ich eine Zeitlang einer zazenkai (Sitzmeditationsgruppe) bei. Sie traf sich im Shôryûji (祥龍寺), einem Tempel, in dem Zazen für Laien angeboten wird und der dem Myôshinji-Zweig der Rinzai-Schule angehört und sich in Gehweite meines damaligen Wohnsitzes befindet. Sieben Jahre lang pilgerte ich nun ein bis zwei Mal die Woche in diesen Tempel und saß zwei Stunden lang still im Stile des Zen. Bei diesen Sitzungen sind ab dem Betreten des Tempels alle Handlungen streng ritualisiert, die meisten Teilnehmer tragen einen mönchischen Arbeitskittel (samue), machen ihre Verbeugungen und sitzen mit verschränkten Beinen (die Könner im Lotussitz) auf ihren Sitzkissen und meditieren. Zum Abschluss wird gemeinsam das Herzsutra rezitiert und in gelöster Atmosphäre Tee getrunken. Die Leitung obliegt dem Tempelvorsteher, einem ordinierten Mönch, der beim Teetrinken Frage und Antwort steht und gerne Zen-Andekoten oder Aussprüche und Lehrinhalte prägnant erzählt und erläutert. Den Höhepunkt im Jahreszyklus stellt eine intensive Meditationswoche (sesshin) vor dem 8. Dezember (rôhatsu) dar, an dem das Andenken an das Erwachen des Buddha zelebriert wird. Freilich gibt es buddhistische Statuen im Tempel und ein großes Rollbild mit einem Bodhidharma-Porträt. Der Friedhof im Tempelareal verweist auf eine wichtige Funktion für die Gemeindemitglieder hin: Begräbnisriten und im Turnus anstehene Gedenktage werden vom Tempelvorsteher geleitet und rituell begangen. In funktionaler Hinsicht ist Zen in Japan schon auf den ersten Blick klarerweise eine Religion.

Selbst D.T. Suzuki war sich des religiösen Charakters des Zen wohl bewusst, wie ein eher weniger beachtetes Buch von ihm illustriert. In einem „Handbuch des Zen-Buddhismus“ (Suzuki 1994) verweist er eindeutig auf relgiöse Praktiken und Paraphernalia des Zen. Es enthält Hymnen, Gebete, Gelübde, Sutren-Exzerpte (Herz-, Diamant-, Lankâvatâra-, Kannon-sûtra), Predigten und Miszellen von chinesischen und japanischen Meistern, die Zehn Ochsenbildergeschichte und ikonographische Erläuterungen zu Buddhas, Bodhisattwas, Arhats, Bodhidharma und Tempelwächtern, die häufig in Zen-Tempeln als Statuen oder auf Bildrollen zu finden sind.

Auch substantiell (ein Credo betreffend) besehen wird Zen nicht im luftleeren Raum betrieben. Der unumstößliche Glaubenskern besteht darin, dass im Zen (Mahâyâna-Buddhismus) davon ausgegangen wird, dass jedem Menschen die Buddhanatur zu eigen sei. Das bedeutet, dass jeder Mensch potentiell den Erleuchtungsprozess des Buddha durchlaufen und nachvollziehen kann und damit Einsicht (Weisheit) und Erlösung vom Leiden (Ausstieg aus dem Zyklus der Wiedergeburt) und allumfassendes Mitgefühl erlangen kann. Und zu dieser Verwirklichung der Buddhanatur, der Befreiung von Ich-Haftigkeit und der Unschädlichmachung der drei „Geistesgifte“ Gier, Hass und Unwissen wird Zen praktiziert. Auch damit ist Zen eindeutig als ein religiöses Unterfangen charakterisiert. Ein religiös völlig entfärbtes und seiner ethischen Grundlagen beraubtes „Zen“ sollte nicht als solches bezeichnet werden. Ein kontextfreies „Zen“ in Form einer puren Psychotechnik kann den buddhistischen Zielen geradezu zuwiderlaufen, wie die Verbindung mit Shopping oder Geld oder Selbstoptimierung (Ego-Aufblähung) eindrucksvoll zeigt. Es ist nicht meine Absicht und steht mir in keiner Weise zu in essentialistischer Weise zu definieren, was authentisches Zen sei(n soll). Ich würde mich gerne im Sinne der edlen philosophischen Haltung der epoché (Zurücknahme) eines Urteiles enthalten. Angesichts der Kommerzialisierung, Instrumentalisierung und Banalisierung des Zen mag mir das nicht ganz gelingen. Ergo sei mir eine vorsichtige Konturenziehung erlaubt.   

Zen ist fraglos (auch) eine Psychotechnik, die allerdings nur dann „Zen“ heißen sollte, wenn sie in einem – wenn auch nur minimalistischen – buddhistischen Rahmen angewandt wird. Dazu gehört nicht, dass man bekennender Buddhist ist. Aber grundlegende buddhistische ethische Richtlinien sollten bekannt sein und berücksichtigt werden. Dazu gehören die vier Kardinaltugenden (liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gelassenheit) und das oberste Gebot der Gewaltlosigkeit (ahimsa). Dieses ist weit gefasst und meint nach Möglichkeit einem fühlenden Wesen kein Leid zuzufügen. Eine Abwendung von der Ego-Zentriertheit und Streben nach Einsicht und Erwachen (bodhi) gehören zu den heilsamen und ursprünglichen Motiven Zen zu betreiben und sollen letztlich dem Wohle aller Wesen dienen und ein Gefühl der Allverbundenheit wecken. Wenn diese Elemente in der meditativen Praxis wie ein cantus firmus mitschwingen, dann ist Zen tatsächlich Zen[16]. Eine isolierte Technik der Geistesschärfung ohne ethischen Kompass ist ein zweischneidiges Schwert, das auch destruktiv und missbräuchlich verwendet werden kann. Zen ist vor dieser Verirrung nur gefeit, wenn seine buddhistischen Ursprünge gegenwärtig und diaphan bleiben. In dieser Form ist es dennoch überkonfessionell und transkulturell vermittelbar und kann als Medium dienen, um unser Potential als Mensch(en) zur vollen Entfaltung zu bringen. Wenn das paradox klingen mag, liegt es in der Natur der Sache – das ganze Zen ein Kôan!    

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[1] Zur Frühgeschichte des Zen in Indien und China und den Weg nach Japan: Dumoulin 1976

[2] Dazu das Kapitel “Yogische Techniken im Buddhismus“ in Eliade 2004:171-208

[3] Kôan (公案jap. eigentlich: “öffentlicher Aushang”) sind überlieferte Anekdoten, Aussprüche von Zenmeistern oder ein Frage-Antwort-Schlagabtausch zwischen Meister und Adepten mit häufig irrationalem oder skurillem Inhalt. Sie werden Zen-Übenden seit dem 10. Jh. als Schulungsaufgabe gestellt. Die Suche nach einer “Lösung” von kôan jenseits des dualistisch-rationalen Denkens in einem intuitiven Sprung in ein “Überbewusstsein” spielt vor allem in der Rinzai-Schule eine gewichtige Rolle. Hakuin gilt in ihr auch als Reformer der kôan-Praxis.

[4] Hier erlaube ich mir auf eine Passage aus meinem Indien-Buch (2014:153-5) zurückzugreifen.

[5] Ich folge bei der Übersetzung und dem Duktus der Legende: Dumoulin 1976:54ff

[6] Mu 無 bedeutet wörtlich “nichts, nicht, das Nichts, un-, ist/hat nicht …” und war die Antwort auf die Frage eines Mönches an den Meister Jôshû: “Hat ein Hund die Buddha-Natur?” Jôshû sagte: “Mu!” Dies ist eines der beliebtesten kôan für den Einstieg ins kanna-zen, das Zen der kôan-Übung. Die Eingangskôan, deren Lösung unabdingbar für den weiteren Ausbildungsgang sind, heißen auch hosshin kôan: “Hosshin ist das japanische Wort für dharmakâya, die Welt des Wahren-Wesens, des Buddha-Wesens, der Leere, Substanzlosigkeit, welche die Freiheit von jeder Dualität, jeder Subjekt-/Objektspaltung beinhaltet.” (Wachs 2003:95). Und genau dafür kann mu als Chiffre stehen. Wachs bietet einen guten historischen Überblick zur vielstufigen, vom Wissen um klassische Zen-Texte flankierten kôan-Praxis.

[7] Dazu die detailreiche Biographie von Steiner 2018, aus der ich für das Folgende schöpfe.

[8] Altes Längenmaß, ca. 3,9 km

[9] Es müsste vielmehr von einem “Überbewusstsein” die Rede sein, nicht von einer regressiven, sondern einer das „Normalbewusstsein“ transzendierenden, hyperalerten Geistesverfassung, cf. Herbert 2015:29-33

[10] Auf Englisch lautet der Begriff: „indifferent“, Victoria 2006:106

[11] Diese für kriegstreiberische Propaganda im Zweiten Weltkrieg überhöhte Form des bushidô beruhte auf „Werten“ wie Frugalität, Asketismus, absolute Loyalität zum Kaiser, Patriotismus, Verherrlichung von Tod und Opfermut, Glorifizierung des Sterbens für Tenno und Vaterland und dem Glauben an die Überlegenheit des („japanischen“) Geistes über die Materie, cf. Benesch 2006:200-213

[12] Zwei von Suzuki auch dem Zen gutgeschriebene ästhetische Ideale: sabi: die Patina, die Schönheit des Alten, stille Wehmut angesichts der Vergänglichkeit; wabi: die Wertschätzung des Einfach-Schlichten, des genügsamen In-Sich-Ruhens.

[13] In “westlicher Dharmasprache” nennt man diese prozessuale Einsicht und Vergegenwärtigung „Gewahrsein“/awareness. Ahnungen des Nicht-Getrenntseins leuchten auf und führen in die zentrumslose „offene Weite“ (so Bodhidharma!). Den Hinweis verdanke ich Dr. Martin Böker.

[14] Interessanterweise finden sich diese vier positiven Qualitäten in gleicher Reihe und Weise in den Yoga-Sûtras des Patanjali: maitrî-karunâ-muditopeksânâm (liebende Güte, Mitgefühl, Heiterkeit, Gleichmut; Vivekananda 1978:153). Es sind dies die Geisteszustände, die ein Bodhisattwa kultiviert, um alle Wesen zur Befreiung zu geleiten. Sie werden meditativ in alle Himmelsrichtungen ausgesandt und heißen auch die vier “Unermeßlichen” (Sanskr.: apramâna, Pali: appamannâ). 

[15] (http://www.inquiringmind.com/article/3002_17_purser-the-militarization-of-mindfulness/)

[16] Ähnliches gilt in meinen Augen – mutatis mutandis – auch für die Achtsamkeitspraxis/mindfulness.

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