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vijñāna

Skr, Ausdruck für Bewusstsein. „Bewusstsein oder kognitivem Gewahrsein, das unsere gemeinsame Welt von verdinglichten „Subjekten“ und „Objekten“ hervorbringt – die wiederum die Leiden hervorrufen, die zu weiteren Aktivitäten führen, die den ganzen Prozess verstärken und den Teufelskreis namens „Samsara“ schaffen. […]

viññaṇa (S. vijñāna), wie es in den verschiedenen Formeln des abhängigen Entstehens beschrieben wird, weist zwei diskrete Aspekte oder Funktionen auf: als „Bewusstsein“ und als „kognitives Gewahrsein (awareness)“. Der erste bezieht sich auf viññaṇa als ein zugrundeliegendes Gefühl, das in einem ununterbrochenen Strom des Geistes über mehrere Lebenszeiten hinweg fließt, während der zweite sich auf viññaṇa im Sinne von sechs Modalitäten des kognitiven Gewahrseins bezieht, die momentan in Verbindung mit diskreten kognitiven Objekten entstehen. Obwohl die frühen Texte keine offensichtliche Unterscheidung, geschweige denn Uneinigkeit, zwischen diesen beiden „Aspekten“ von viññaṇa aufweisen, kann eine solche Unterscheidung durch sorgfältige Text- und Begriffsanalyse erkannt werden – und wurde in späteren Kommentaren fast immer gemacht. […]

Der Sanskritbegriff vijñana, der mit dem Pali viññaṇa verwandt ist, setzt sich zusammen aus der Vorsilbe vi-, die „Trennung“ oder „Teilung“ bedeutet (verwandt mit dem lateinischen dis-), und der Verbalwurzel jña, „wissen“ (verwandt mit dem griechischen gnosis, dem lateinischen (co)gnitio und dem englischen know). Vi- zusammen mit jñana bedeutet also „Akt des Unterscheidens, des Erkennens, des Wissens“ […].

Obwohl „Unterscheidung“ eine wörtlichere Übersetzung sein mag, kommt „kognitives Gewahrsein“ der Bedeutung als Gewahrsein eines bestimmten Objekts innerhalb eines bestimmten Sinnesfeldes näher, während „Bewusstsein“ den Aspekt von viññaṇa als ein von einem Leben zum nächsten fortbestehendes Empfindungsvermögen hervorhebt.“ (Waldron 2004, übersetzt, gekürzt)

Sechs Formen des kognitiven Bewusstseins

Diese Unterscheidung meint die fünf Formen von Sinnesbewusstsein sowie das mentale Bewusstsein in der Unterscheidung von Borghardt 2010. Waldron 2004 nennt diese Prozesse die sechs Modalitäten des “manifest cognitive awareness” (von mir als manifestes kognitives Gewahrsein übersetzt).

„Wenn wir etwas sehen, so geschieht das Sehen durch das Zusammenkommen von Auge, Sehbewusstsein und visuellem Objekt. Wenn diese drei zusammenkommen, gibt es visuellen Kontakt und es entsteht eine Seh-Wahrnehmung. Diese Seh-Wahrnehmung ist eine Erfahrung im visuellen Bewusstsein, bleibt aber nicht einfach rein visuell, sondern wird sofort auch eine mentale Erfahrung, weil sie weitergemeldet und im mentalen Bewusstsein verarbeitet wird.

Z.B. eine kurz auftauchende visuelle Wahrnehmung, wie die Hand vor meinem Gesicht, wird sofort innerlich als Eindruck gespeichert, und diese Speicherung des Eindrucks ist schon mental. Das Vergleichen dieses Eindruckes mit anderen Eindrücken ist bereits ein recht elaborierter Prozess im mentalen Bewusstsein. […]

Es müssen Bedingungen zusammenkommen, damit eine Wahrnehmung entsteht, und diese Wahrnehmung wird im folgernden Geist, was wir auch Intellekt nennen, dem mentalen Bewusstsein verarbeitet. Und das mentale Bewusstsein hat zusätzlich noch seine eigenen Objekte, die nicht in den fünf Sinnesgruppen auftauchen. Das heißt, wir können über ganz abstrakte Dinge wie Glück und Traurigsein, über Demokratie und dergleichen nachdenken, oder z.B. dieser Vortrag hier ist für euch ja nur Hören und dann Verarbeitung im mentalen Bewusstsein. Ihr könnt ganz allein für euch weiter darüber nachdenken. Das alles nennt man das Dharma-Element, das sind die rein mentalen Objekte. Die Kombination all dieser Eindrücke, dieser Objekte, ergibt dann den Strom der verschiedenen Bewusstseinsmomente im folgernden Geist. Über die sechs Bewusstseinsgruppen brauchen wir gar nichts weiter zu sagen, es sind ganz einfach die Bilder dieser fünf äußeren Sinne, die im mentalen Sinn auftauchen und das Mentale selbst, was die wechselnden Eindrücke der sechs Bewusstseinsbereiche ergibt, die wir dann unser Leben nennen. Es ist also ein ständiger Strom unterschiedlichster Bewusstseinsmomente.“ (Borghardt 2010)

Der zugrundeliegende Strom des Bewusstseins

„Spätere Abhidharma-Analysen des Geistes konzentrierten sich in erster Linie auf das manifeste kognitive Bewusstsein, was den Aspekt des viññaṇa als „Bewusstsein“ konzeptionell problematisch machte – eine Situation, auf die das ālayavijñāna zum großen Teil eine Antwort war.“ (Waldron 2004, übersetzt )

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